Europas schleppender Flüchtlingsdeal

Brüssel · Von dem großen Versprechen ist nicht viel übriggeblieben. Innerhalb von 24 Monaten wollten die 25 Mitgliedstaaten der EU, die sich an dem Flüchtlingsabkommen überhaupt beteiligt haben, 160 000 Hilfesuchende aus italienischen und griechischen Auffanglagern verteilen. Doch aus dem Deal von Anfang 2016 wurde bislang nicht viel. 11 966 Flüchtlinge fanden bisher eine neue Heimat, bilanzierte die Brüsseler EU-Kommission gestern. Immerhin deutlich mehr als jene 8126 Menschen, die man noch im Dezember vermelden konnte.

Das klingt gut, wie auch der für Migration zuständige Kommissar Dimitris Avramopoulos fand. Doch die Angabe relativiert sich schnell, wenn man weiß, dass dies nicht einmal zehn Prozent derer sind, die bis zum Jahresende eine neue Bleibe bekommen sollen, um die Vorleistungen der Griechen und Italiener zu honorieren und beide Staaten zu entlasten. Dennoch geht etwas voran. Nicht einmal der Dachverband der europäischen Flüchtlingsorganisationen ECRE will von einem Scheitern der Strategie sprechen. Allerdings offenbart der Blick in die Aufstellung der Länder, die sich beteiligen, Ernüchterndes. Auch Deutschland liegt mit gut 2000 Flüchtlingen weit unter seiner Quote (25 494). Frankreich hat mit 2700 Menschen deutlich mehr getan, weil das Soll bei 16 989 liegt. Österreich, vor gut einem Jahr noch ein starker Unterstützer der EU-Linie, hat dagegen nicht einen Hilfesuchenden aus den Nachbarländern akzeptiert. Auch Polen weigert sich weiter, Ungarn mauert ebenso wie die Slowakei, die lediglich neun Personen ins Land ließ.

Von einem Misserfolg zu sprechen, gilt dennoch als verpönt. Im Gegenteil: Auch aus den Reihen der Länder, die sich hartnäckig gegen jede Aufnahme wehren, wird betont, dass es Fortschritte gebe. Erst am Montag hatte Wiens Außenamtschef Sebastian Kurz mit Zahlen überrascht. Seinen Angaben zufolge ging die Zuwanderung über die geschlossene Balkan-Route sowie über die Türkei in den letzten Wochen um 98 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück. Wien und seine östlichen Nachbarn fühlen sich geradezu ermutigt, mit der Blockade weiterzumachen - dieses Mal durch Abkommen mit Libyen und Ägypten: Illegale werden aufgegriffen, versorgt und zurückgeschickt. Es ist jene Linie, auf die sich am Montag auch die EU-Außenminister geeinigt hatten. Sie drohten Libyen sogar Strafmaßnahmen an, wenn das Land nicht endlich illegale Migranten zurücknimmt. Die Umverteilung der 160 000 Menschen aus Italien und Griechenland soll diese Bemühungen ergänzen, um die dortigen Auffanglager zu leeren.

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