EU-Haushalt Europas oberster Schwabe will mehr Geld

Brüssel · Die EU braucht neue Einnahmequellen, sagt Haushalts-Kommissar Günther Oettinger. Unter anderem will er Staaten, die gegen die Werte der Union verstoßen, Fördermittel streichen.

 Günther Oettinger, der schwäbische EU-Kommissar, überlegt, wie die EU finanziell ab 2019 besser dastehen kann. Denn der Brexit reißt ein Loch.

Günther Oettinger, der schwäbische EU-Kommissar, überlegt, wie die EU finanziell ab 2019 besser dastehen kann. Denn der Brexit reißt ein Loch.

Mehr Geld oder weniger Leistungen – die EU steht vor einer Weichenstellung. „Was ist den Mitgliedstaaten Europa wert?“, fragte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger gestern in Brüssel und eröffnete damit die Diskussion um den Etat der Gemeinschaft für die nächsten Jahre.

Von diesem EU-Haushalt stehen bisher vor allem diese Eckpunkte fest: Der Brexit reißt ein Loch in das Budget der Union, das Oettinger mit zehn bis elf Milliarden Euro pro Jahr bezifferte. Da der bisherige Briten-Rabatt entfällt, müssen auch alle anderen Beitragsnachlässe (unter anderem für Deutschland) gekippt werden. Den geringeren Einnahmen stehen erhöhte Anforderungen gegenüber – unter anderem die gerade beschlossene Verteidigungsunion. Der Kommissar: „Wenn Europa Herausforderungen bewältigen soll, muss das Geld irgendwo herkommen. Wir können entweder weniger ausgeben oder neue Einnahmequellen erschließen“.

Eine Lösung für das Problem enthält das Reflexionspapier, wie das 40-seitige Dokument offiziell heißt, noch nicht. Wohl aber erste Andeutungen, die Zündstoff enthalten. Dazu gehört vor allem das Vorhaben der Kommission, die „Auszahlung von EU-Mitteln vom Stand der Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängig zu machen“. Schließlich, so heißt es in der von Oettinger und Regionalkommissarin Corina Cretu entworfenen Schrift, bestehe ein „klarer Zusammenhang zwischen der Rechtsstaatlichkeit einerseits und einer effizienten Durchführung der aus dem Haushalt geförderten Investitionen aus privater und öffentlicher Hand andererseits.“

Außerdem will der schwäbische Kommissar künftig nicht länger die Mittel nach dem Gießkannen-Prinzip verteilen und damit einzelne Staaten, die zu besonders hohen Anteilen von den Subventionen aus Brüssel leben (zum Beispiel Ungarn, wo die EU-Gelder knapp sechs Prozent des nationalen Etats ausmachen), alimentieren. Künftig, sagt Oettinger, sollten die Zuschüsse am europäischen Mehrwert gemessen werden. Grenzüberschreitende Projekte wie gemeinsame Energienetze, Forschungsvorhaben oder Infrastruktur-Projekte mehrerer Länder würden dann bevorzugt.

Unterm Strich, so heißt es in Brüssel, müssten die Mitgliedstaaten sich jedoch zwischen fünf Szenarien entscheiden. Beispiel: Bei der Variante „Weiter wie bisher“ blieben die Ausgaben stabil, was zu weniger Geld für Landwirte und innere Sicherheit führen würde. Wer – wie einige Ost-Regierungen – „weniger gemeinsames Handeln“ fordere, muss dann mit geringeren Subventionen für den Agrarbereich oder den Schutz der Außengrenzen klarkommen, die Verteidigungsunion würde platzen. Besonders erfolgversprechend nannte Oettinger dagegen das Konzept „Viel mehr gemeinsames Handeln“, bei dem mehr Mittel für die Wettbewerbsfähigkeit, die Landwirtschaft, die Verteidigungsunion und den Grenzschutz bereitstünden. Allerdings braucht die Gemeinschaft deutlich mehr Mittel.

Bisher finanziert sich die Union aus den Mitgliedsbeiträgen der Staaten, die etwa ein Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) ausmachen. Hinzu kommen vor allem Zölle. Künftig könnten diese Anteile entweder angehoben oder aber durch andere Finanzquellen wie Steuern auf den Energieverbrauch (CO2-Steuer) und Erlöse aus dem Emissionshandel ersetzt werden. Welchen Weg die Kommission selbst vorschlägt, wollte Kommissar Oettinger gestern noch nicht sagen. Ein Rechenbeispiel aus dem Papier signalisiert aber, in welche Richtung die Überlegungen gehen. „Pro 100 verdiente Euro zahlen die Bürger im Schnitt 50 Euro an Steuern und Sozialbeitragen, wovon lediglich ein Euro zur Finanzierung des EU-Haushalts beiträgt.“ Soll heißen: Da wäre noch Luft nach oben.

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