Sorge und Ärger in Brüssel Europas Antwort auf US-Zölle liegt schon bereit

Brüssel · Nach der Entscheidung der USA, Strafzölle auf europäischen Stahl zu erheben, will die EU ihrerseits Abgaben auf bestimmte amerikanische Importe verlangen.

 An einem Hochofen in Salzgitter wird Stahl hergestellt (linkes Foto), der in den USA künftig mit Strafzöllen belegt wird. Als Gegenmaßnahme wollen die Europäer auch amerikanische Produkte mit Importabgaben belegen – etwa Motorräder wie hier von der US-Firma Harley-Davidson.

An einem Hochofen in Salzgitter wird Stahl hergestellt (linkes Foto), der in den USA künftig mit Strafzöllen belegt wird. Als Gegenmaßnahme wollen die Europäer auch amerikanische Produkte mit Importabgaben belegen – etwa Motorräder wie hier von der US-Firma Harley-Davidson.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Es soll „eine starke Antwort“ geben. Dieser Begriff machte gestern schon in Brüssel die Runde, bevor die Zoll-Entscheidung des amerikanischen Präsidenten bekannt gegeben worden war. Als dann feststand, dass alle Verhandlungen mit den Unterhändlern der USA nichts gebracht hatten, nahm Kommissionschef Jean-Claude Juncker kein Blatt mehr vor den Mund. Er sehe diesen Schritt von Präsident Donald Trump „mit großer Sorge“. Die Vereinigten Staaten ließen der Union „keine Wahl“. Brüssel werde „in Übereinstimmung mit den Regeln der Welthandelsorganisation“ reagieren. „Wir werden die Interessen der Union verteidigen.“

Handelskommissarin Cecilia Malmström, die die Verhandlungen mit dem amerikanischen Handelsminister Wilbur Ross geführt hatte, legte noch nach: „Das ist nicht die Art und Weise, wie man Geschäfte macht – vor allem nicht mit langjährigen Partnern, Freunden und Alliierten.“ Und weiter: „Wir werden die notwendigen Schritte unternehmen und den europäischen Markt vor den Auswirkungen des US-Restriktionen schützen.“

Tatsächlich trifft die Anhebung der Zölle auf Stahl und Aluminium die Europäer nicht unvorbereitet. Schon vor Wochen hatten die Mitgliedstaaten eine Liste mit über 300 Punkten abgesegnet – eine Aufstellung der Produkte, die Europa nun seinerseits mit höheren Importabgaben belegen will. Da geht es um Motorräder, Jeans, Erdnussbutter, Kosmetika, Schiffe und Boote sowie US-Stahl – also vor allem um solche Artikel, die in jenen Bundesstaaten hergestellt werden, in denen Senatoren aus dem direkten Umfeld des Präsidenten residieren. Das Brüsseler Kalkül: Trump soll Druck aus den eigenen Reihen bekommen.

Dabei sind die Gespräche auch nach dem Erlass aus dem Weißen Haus noch nicht beendet. Ross, der die Entscheidung des Präsidenten gestern bekannt gab, zeigte sich jedenfalls offen für weitere Beratungen: „Wir freuen uns darauf, die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada einerseits, und mit der Europäischen Kommission auf der anderen Seite fortzuführen.“ Die waren am Schluss nämlich tatsächlich festgefahren, weil die Mitgliedstaaten es ablehnten, „mit der Pistole auf der Brust“ zu einem Kompromiss auf die US-Bedingungen einzugehen. Dabei hatte die Union sich sehr wohl beweglich gezeigt. So schlug die Kommission vor, die deutlich höheren Importabgaben für amerikanische Autos zu senken. Minister Ross winkte ab.

Weitere Zugeständnisse scheiterten wohl auch an Dissonanzen im europäischen Lager. Während Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron stets für eine harte Antwort der Gemeinschaft eintrat, bremste Bundeskanzlerin Angela Merkel allzu heftige Reaktionen aus. Bei den jüngsten Gesprächen zwischen den beiden Wirtschaftsministern aus Paris und Berlin, Bruno Le Maire und Peter Altmaier (CDU), sei es in dieser Woche sogar zwischendurch „laut geworden“, berichteten Beobachter. Und auch Kommissarin Malmström ließ diplomatisch verklausuliert durchblicken, dass es „unterschiedliche Prioritäten“ gebe. Ob die EU es tatsächlich schafft, nun einig zu reagieren, muss sich zeigen.

Bereits gestern setzte die Kommission in Brüssel alle notwendigen Verfahren in Gang, um die Liste der Gegenmaßnahmen in Kraft setzen zu können. Das sei „nur eine Frage von wenigen Tagen“, sagte ein mit Handelsfragen vertrautes Mitglied des Europäischen Parlamentes. Im Gespräch ist derzeit der 20. Juni als Stichtag für die starke Antwort Europas. Der Grund: Die EU hatte ihre Gegenmaßnahmen am 18. Mai bei der Welthandelsorganisation angemeldet. Danach muss eine 30-tägige Wartezeit eingehalten werden. Allerdings gäbe es noch einen günstigen Termin für ein Einlenken in letzter Minute: Alle Beteiligten treffen in der kommenden Woche in Kanada zum G7-Gipfel zusammen. Dort steht das Thema Freihandel noch einmal auf der Tagesordnung. Und vereint alle an einem Tisch: Trump, Merkel, Macron und auch die Führung der Europäischen Union.

 31.05.2018, Hessen, Rüdesheim-Assmannshausen: Die deutsch-amerikanische Freundschaft scheint trotz eines drohenden Handelskonflikts für den Besitzer dieser Harley-Davidson noch in Ordnung zu sein, dessen Maschine vor dem Beginn einer Ausfahrt am Straßenrand parkt. Zur 17. Magic Bike Rüdesheim erwarten die Veranstalter bis zum 3. Juni mehrere Tausend Motorräder und rund 30 000 Besucher. Das Biker-Treffen zähle zu den größten Europas, teilten die Veranstalter mit. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

31.05.2018, Hessen, Rüdesheim-Assmannshausen: Die deutsch-amerikanische Freundschaft scheint trotz eines drohenden Handelskonflikts für den Besitzer dieser Harley-Davidson noch in Ordnung zu sein, dessen Maschine vor dem Beginn einer Ausfahrt am Straßenrand parkt. Zur 17. Magic Bike Rüdesheim erwarten die Veranstalter bis zum 3. Juni mehrere Tausend Motorräder und rund 30 000 Besucher. Das Biker-Treffen zähle zu den größten Europas, teilten die Veranstalter mit. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

In der EU traf die Entscheidung Washingtons erwartungsgemäß auf ein verheerendes Echo. „Die Stahlindustrie in Deutschland verurteilt diesen Schritt“, erklärt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Den Vorwurf der USA, die europäischen Stahlimporte bedrohten die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten, nannte er grotesk. Und auch der europäische Dachverband der Stahlunternehmen (Eurofer) warf Trump „blanken Protektionismus“ vor. Generaldirektor Axel Eggert stellte sich hinter die Gegenmaßnahmen der Union. „Die EU muss besonnen reagieren“, forderte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. „Die angekündigten Kompensationszölle sollte die EU sehr sorgfältig abwägen. Der Europäischen Kommission stehen eine Reihe von Instrumenten und Handlungsoptionen zur Verfügung, mit denen sie auf diese Konfrontation wirkungsvoll reagieren kann“, sagte er weiter. Das muss sich nun zeigen.

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