Europa rüstet sich für die Scheidung

Brüssel/Valletta · Drei Tage nach dem Brief aus London legt die Gegenseite ihre Strategie vor. Die Eckpunkte der EU für den Brexit stehen; die Probleme kommen erst.

Das Ringen um den Brexit ist eröffnet. "Großbritannien sitzt seit Mittwoch dieser Woche auf der anderen Seite des Tisches", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk, als er am Freitag in Maltas Hauptstadt Valletta seine erste, noch grobe Skizze über die Verhandlungsstrategie der 27er Gemeinschaft vorlegte. Die umfasst vier Punkte: Zunächst soll Rechtssicherheit für die rund 3,2 Millionen Bürger geschaffen werden, die aus anderen EU-Staaten stammen, aber im Vereinigten Königreich leben. Außerdem müssen Verlässlichkeit für die europäischen Unternehmen geschaffen, die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens aufgelistet und eine Lösung für das brisante Nordirland-Problem gefunden werden. Der Friedensprozess dürfe nicht dadurch unterbrochen werden, dass die EU-Grenze künftig durch Irland läuft. Aus diesen ersten Punkten wollen die Staats- und Regierungschefs der Union bei einem Sondergipfel am 29. April in Brüssel Leitlinien formen, deren Details anschließend und noch vor der ersten Runde der Brexit-Gespräche im Juni ausgearbeitet werden.

"Es geht um Verhandlungen, nicht um Krieg", unterstrich der maltesische Premierminister Joseph Muscat, der derzeit die EU-Präsidentschaft innehat. Der Satz war dringend nötig, denn abseits dieser beinahe lammfrommen Statements haben die Grabenkämpfe bereits begonnen. Während die britische Premierministerin Theresa May von parallelen Gesprächen ausgeht, weigert man sich in Brüssel hartnäckig, mehr als nur eine Expertenrunde tagen zu lassen. May wird wohl zurückstecken müssen - sie hat schon genügend Porzellan mit ihrer Aussage zerschlagen, es sei ein "schwerwiegender Fehler, unsere Zusammenarbeit für den Wohlstand und Schutz unserer Bürger zu schwächen". Wollte die Premierministerin der EU mit einer Aufkündigung der Sicherheitskooperation drohen? Nein, beeilte sich ihr Außenminister Boris Johnson gestern in Brüssel zu beruhigen. Und auch Tusk sprach von einem "Missverständnis".

Damit zeichnet sich nun ab, dass der Brexit in zwei Phasen ablaufen soll: Zunächst wird über den Austritt selbst gesprochen. Diese Vereinbarungen könnten innerhalb der festgelegten Frist von zwei Jahren abgeschlossen sein. Danach geht man das mindestens ebenso brisante Thema der künftigen Beziehungen an - eine Prozedur, die nochmals mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürfte. Tusk zeigte sich einigermaßen desillusioniert: "Das ist meine erste Scheidung. Und ich hoffe auch meine letzte." Tatsächlich sträuben sich den Experten, die sich seit Monaten um nichts anderes als die Vorbereitung der Brexit-Gespräche kümmerten, die Haare, weil die Materie vielschichtig und kompliziert ist.

Schon fordern die ersten britischen Unternehmen wie die Betreibergesellschaft des Hafens von Dover Übergangsfristen, um nicht von einem Tag auf den anderen aus der Zollunion herauszufallen. Vieles ist noch offen. In Brüssel betonte man derweil auffallend oft, dass die 27er Gemeinschaft "eng zusammensteht". Die Frage bleibt, ob dieser Zustand der Harmonie wirklich anhält.

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