Eurokraten kriegen mehr Netto als Brutto

Brüssel. Wenn David Cameron am Donnerstagabend im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs das Wort ergreift, wird er dort anfangen, wo er im November aufgehört hat: bei einer Attacke auf die gewaltigen Personalkosten der Union

 Der britische Premier David Cameron kritisiert die Personalkosten der EU. Foto: dpa

Der britische Premier David Cameron kritisiert die Personalkosten der EU. Foto: dpa

Brüssel. Wenn David Cameron am Donnerstagabend im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs das Wort ergreift, wird er dort anfangen, wo er im November aufgehört hat: bei einer Attacke auf die gewaltigen Personalkosten der Union. "Es sei unfassbar, was EU-Beamte verdienen", hatte der britische Premier beim ersten Anlauf, sich auf eine mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 zu einigen, gesagt.

Genaue Zahlen nannte er nicht. Inzwischen liegen diese vor: Mehrere tausend Eurokraten bekommen Monat für Monat mehr Gehalt als der Londoner Regierungschef (13 759 Euro) und auch als Bundeskanzlerin Angela Merkel (16 800 Euro plus 1000 Euro Aufwandsentschädigung). Nach Abzug der Steuern (etwa 5600 Euro) bleiben ihr rund 11 200 Euro im Monat. Ein Beamter der EU-Gehaltsstufe AD 13 (insgesamt gibt es 16) bekommt nach vier Dienstjahren 12 500 Euro netto, wenn er zwei Kinder hat und nicht in seinem Heimatland arbeitet. Ein Brüsseler Generaldirektor liegt gar bei 15 500 Euro netto. Den Kommissarinnen und Kommissare überweist man 20 000 Euro - jeweils im Monat.

Der Schlüssel zu diesen Verdiensten ist ein denkbar niedriger EU-Steuersatz von 13,3 Prozent, eine kaum spürbare Progression und weitere Wohltaten wie eine 16-prozentige, steuerfreie Auslandszulage, die das Beamtenstatut der 46 000 EU-Beamten vorsieht. Der Großteil steht in Diensten der Kommission. Zum Jahresende lief darüber hinaus eine Sonder-Krisenabgabe aus. 5,5 Prozent vom Grundgehalt wurden erhoben, tatsächlich sorgte ein komplizierter Berechnungsfaktor dafür, dass sie deutlich niedriger lag. Zwar müssen die EU-Mitarbeiter in Brüssel, Straßburg und Luxemburg im Unterschied zu ihren deutschen Kollegen für ihre Altersvorsorge und ihre Kranken- und Unfallversicherung selber aufkommen. Doch die Beiträge fallen mit zusammengerechnet 350 bis 2500 Euro eher bescheiden aus.

Da viele Zuschläge steuerfrei gestellt wurden, übersteigt bei vielen Spitzenverdienern das Nettogehalt den Bruttobetrag. "Unzählige und üppige Privilegien", die auch der Präsident des deutschen Bundes der Steuerzahler, Rainer Holznagel, als "Schlaraffenland" bezeichnet.

Kein Wunder, dass die Staats- und Regierungschef längst nach Möglichkeiten suchen, auch die europäische Verwaltung am bevorstehenden Streichkonzert am Gesamtbudget zu beteiligen. Deren Kosten machen zwar nur sechs Prozent des gesamten Ausgabenkuchens aus, sind aber spektakulär: Auf fünf Milliarden Euro belaufen sich allein die jährlichen Personalkosten. Für die Verwaltung ist im Vorschlag für die sieben Jahre ab 2014 ein Betrag von 63 Milliarden angesetzt.

Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte von sich aus bereits angekündigt, den Personalbestand der drei EU-Institutionen weiter herunterzufahren, die Krisenabgabe auf sechs Prozent zu erhöhen und zu verlängern, die Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre auszudehnen sowie die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden zu erhöhen. Doch die Mitgliedstaaten spielten nicht mit und werden nun darauf drängen, das komplette Beamtenstatut neu zu fassen, damit die Brüsseler Eurokraten stärker an der konjunkturellen Lage in den Mitgliedstaaten beteiligt werden. Tarifverhandlungen gibt es in den EU-Gremien nämlich nicht. Die jährliche Gehaltsanpassung wird aus der Preissteigerung in acht ausgewählten Mitgliedstaaten (darunter Deutschland) errechnet.

Fazit: Trotz Krise wurden die Nettoverdienste am Jahresanfang um durchschnittlich rund 500 Euro angehoben - und keiner konnte etwas dafür. Beim großen Hauen und Stechen am Donnerstag wird dieses System wohl keine Chance zum Überleben haben.

Meinung

Ein Rotstift

mit Folgen

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

 Der britische Premier David Cameron kritisiert die Personalkosten der EU. Foto: dpa

Der britische Premier David Cameron kritisiert die Personalkosten der EU. Foto: dpa

Die hohen Personalkosten und den dicken EU-Verwaltungsapparat kann man kritisieren. Sie haben durchaus ihre zwei Seiten. Die Einkommen in Brüssel, Straßburg und Luxemburg sind im Vergleich zum öffentlichen Dienst in der Heimat deutlich höher. Dennoch steht die EU mit ihrem Verwaltungsetat keineswegs schlecht da. London, Warschau und Berlin geben mehr Geld für den öffentlichen Dienst aus. Und haben - im Verhältnis zur Bevölkerung - eine deutlich höhere Dichte an Beamten. Natürlich kann man in EU-Institutionen den Rotstift kreisen lassen. Aber dann soll sich bitte niemand beschweren, wenn er auf die Verteilung der übrigen 94 Prozent des EU-Etats lange warten muss. Denn genau dafür werden die Leute gebraucht.

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