Euro-Zone gibt Griechenland nicht auf"Das werden wir unseren Enkelkindern noch erzählen"Harte Einschnitte im öffentlichen Dienst und bei den Rentnern, höhere Steuern für alle

Brüssel. Die Euro-Zone gibt Griechenland nicht auf. Nur wenige Stunden, nachdem die Athener Regierung ein drastisches Sparprogramm für die nächsten Jahre beschlossen hatte, billigten die 16 Finanzminister der Euro-Länder in Brüssel die gewaltigste Rettungsaktion der EU-Geschichte

Brüssel. Die Euro-Zone gibt Griechenland nicht auf. Nur wenige Stunden, nachdem die Athener Regierung ein drastisches Sparprogramm für die nächsten Jahre beschlossen hatte, billigten die 16 Finanzminister der Euro-Länder in Brüssel die gewaltigste Rettungsaktion der EU-Geschichte. Bis zu 80 Milliarden Euro stellen die 16 EU-Mitgliedstaaten mit Gemeinschaftswährung den Griechen innerhalb der nächsten drei Jahre als Kredite bereit. Weitere 30 Milliarden steuert der Internationale Währungsfonds (IWF) bis 2012 bei. "Wir müssen das tun", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel, "andernfalls würden die Märkte an unserer Ernsthaftigkeit zweifeln". Es sei darum gegangen, die "Stabilität der Euro-Zone als Ganzes zu verteidigen". In der kommenden Woche sollen der Bundestag und die anderen nationalen Parlamente die notwendigen Entscheidungen fällen.

Doch der Beschluss, darin waren sich gestern auch die Experten der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des IWF einig, ist nur der Auftakt zu einer längerfristigen "Solidaritätsaktion". Bis zum Samstag hatten sie mit den Unterhändlern Athens um die Details gerungen. "Wir können heute sagen, dass Griechenland bis zu zehn Jahre lang unsere Hilfe braucht", erklärte ein hoher IWF-Vertreter am Sonntag. Der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager sprach dagegen von fünf Jahren.

Zunächst sollen bis Ende 2010 rund 30 Milliarden (plus 15 Milliarden des IWF) in Anspruch genommen werden können. Im kommenden Jahr werden dann noch einmal 30 Milliarden, 2012 rund 20 Milliarden ausgezahlt. "Das ist kein Freifahrtschein für Griechenland", sagte Österreichs Finanzminister Josef Pröll. "Wir wollen das Geld, das wir verleihen, auch wieder zurückbekommen." Es wird wohl ein bisschen mehr sein, bestätigte Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde. Denn die Retter bekommen von Athen fünf Prozent Zinsen, obwohl sie sich selbst das Geld am Markt für drei bis vier Prozent leihen können. Deutschland würde somit für die insgesamt etwa 22 Milliarden Euro, auf die sich der Berliner Anteil bis 2012 summiert, sogar noch einige Millionen "verdienen". Ein hoher EU-Diplomat meinte am Sonntag: "Es soll niemand so tun, als gäben die Partner uneigennützig Hilfskredite."

Das Geld gibt es nicht ohne Auflagen. Griechenlands Finanzminister Giorgos Papakonstantinou muss sich von Brüssel auf die Finger schauen lassen. Kontrollbesuche von Währungskommissar Olli Rehn sind jederzeit auch ohne Vorankündigung möglich. Alle drei Monate muss Athen einen Bericht über den Stand der Reformen und den Abbau seines Defizits von derzeit 13,6 Prozent der Kommission und den Finanzministern vorlegen. Sollten der Umbau des Staates ins Stocken geraten, kann die Auszahlung der Darlehen gestoppt werden.

Noch in diesem Jahr sollen die Bestimmungen des Euro-Stabilitäts- und Wachstumspaktes, wie er offiziell heißt, wieder verschärft werden. Währungskommissar Olli Rehn soll bis Mitte des Jahres einen Vorschlag ausarbeiten. Rehn machte gestern klar, worin das eigentliche Ziel der Währungsgemeinschaft besteht: "Wir wollen, dass spätestens Ende 2013 alle Mitgliedsländer wieder einen Haushalt vorweisen können, der den Kriterien des Euro-Paktes entspricht - auch Griechenland." Athen. "Das, was wir heute erleben, werden wir unseren Enkelkindern noch erzählen. Es ist ein historischer Moment", kommentiert am frühen Sonntagmorgen ein Radiomoderator. Millionen Griechen sitzen vor den Fernsehern oder hören gespannt Radio. Und dann erscheint der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou (Foto: afp) in der Runde seines Ministerrates: "Oberstes Gebot ist die Rettung des Vaterlandes", sagt er gleich am Anfang. Sichtlich gestresst fügt er hinzu, er werde die "Schwächeren schützen" und im Kampf um die Rettung des Landes "ganz vorne stehen".

"Mit anderen Worten: Wir haben einen Teil unserer Souveränität heute abgegeben", resümiert ein pensionierter Lehrer im Athener Stadtteil Vyron. Übereinstimmend kommentieren die Griechen: "Das wird jetzt wehtun." Viele schlagen die Hände über dem Kopf zusammen angesichts der Details, die sie anschließend von Finanzminister Giorgos Papakonstantinou zu hören bekommen.

Acht Prozent weniger Lohn für die Staatsbediensteten: Im März hatten sie schon sieben Prozent verloren. Wer mehr als 3000 Euro brutto verdient, kann das 13. und 14. Monatsgehalt vergessen. Die anderen werden eine Art Weihnachtsgeschenk von 500 Euro bekommen, Rentner nur 400 Euro.

"Taverne und Urlaub adieu. Jetzt gibt es Ferien nur noch bei Oma im Dorf. Wenn das Geld für die Fahrt dorthin reicht", sagt ein junger Architekt. Die Liste der Einsparungen hat kein Ende: Zehn Prozent mehr indirekte Steuern für Tabak, Spirituosen und Treibstoffe. Auch das Rentenalter soll erheblich angehoben werden. Die bislang geltende Faustregel - wer 37 Jahre gearbeitet hat, kann mit 58 in Rente gehen - wird nicht mehr gelten. Die Rede ist von mindestens 40 Jahren Arbeit als Grundvoraussetzung für eine Rente. Luxusautos sollen besteuert, Immobiliensteuern erhöht werden. Um wie viel? Selbst Finanzminister Papakonstantinou scheint schockiert zu sein. "Ich muss jetzt schnell weg. Ich muss nach Brüssel fliegen", sagt er vor Dutzenden Journalisten, die mit erhobener Hand mehr wissen wollen.

Ob Griechenland gerettet werden kann, das bleibt an diesem für das Land historischen 2. Mai 2010 unklar. Denn die Gewerkschaften machen schon mobil. Ab heute wollen die Beschäftigten der Müllabfuhr streiken. Am Mittwoch kommt es dann zu einer neuen großen Kraftprobe: Die Gewerkschaften wollen das Land mit umfangreichen Streiks im Bereich Staat und Verkehr lahmlegen. "Oberstes Gebot ist die Rettung des Vaterlandes."

Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou

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