Euro-Partner helfen Athen aus der Patsche "Griechenland geht pleite ohne Umschuldung"

Brüssel. Der Staatsbankrott war schon zum Greifen nah. Dann erst lenkte die Athener Regierung ein und beugte sich dem Diktat der Vertreter von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission

Brüssel. Der Staatsbankrott war schon zum Greifen nah. Dann erst lenkte die Athener Regierung ein und beugte sich dem Diktat der Vertreter von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission. "Wir sind überzeugt, dass nun die Weichen richtig gestellt werden", zeigte sich IWF-Unterhändler Jeffrey Franks am Freitagnachmittag überzeugt, als man dem verschuldeten Land endlich die erhoffte "positive Perspektive" im amtlichen Prüfbericht ausgestellt hatte.Doch der Eindruck täuscht. Das Zeugnis fällt nicht nur miserabel aus. Es fordert den Griechen, die am Freitag zu Tausenden protestierten und auch zeitweise das Finanzministerium besetzt hielten, dramatische Einbußen ab. Binnen dreier Jahre sollen die Ausgaben um rund 28 Milliarden Euro gesenkt werden. Parallel dazu will Regierungschef Giorgos Papandreou endlich mit dem Verkauf der Staatsbeteiligungen beginnen: Bis 2015 könnten so weitere 50 Milliarden Euro in die leeren Kassen zurückfließen. Athen steht derzeit mit rund 350 Milliarden bei seinen Gläubigern in der Kreide.

Der Euro-Raum zeigt sich erkenntlich und schnürt bis zum Herbst ein zweites Hilfspaket. Umfang: weitere 60 Milliarden Euro. Doch aktuell ging es nur um zwölf Milliarden, die nächste Tranche aus dem ersten 110-Milliarden-Hilfspaket, das IWF, EZB und EU-Kommission geschnürt hatten. Dabei stellte sich vor allem der Währungsfonds quer: Seine Statuten verbieten es, Gelder an marode Staaten auszuzahlen, die nicht eine positive Finanzprognose für die nächsten zwölf Monate bekommen. Unter dem Druck der Verhandlungspartner knickte die griechische Regierung schließlich ein und versprach alle jene Reformen, die man schon einmal zugesagt hatte: Das war vor einem Jahr, als die ersten Not-Milliarden ausgezahlt wurden. Premier Papandreou musste deshalb noch am Freitag bei Euro-Chef Jean-Claude Juncker in Luxemburg antanzen, um die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen zu versprechen. Schon in den nächsten Tagen sollen die entsprechenden Beschlüsse durchs Parlament gepeitscht werden. Regierung und Opposition haben zugesagt, an einem Strang zu ziehen. Juncker: "Die Voraussetzungen für die nächsten Zahlungen sind erfüllt." Die nächsten zwölf Milliarden Euro werden überwiesen, damit Athen seine Verbindlichkeiten Ende des Monats bedienen kann.

Für die an große staatliche Wohltaten gewohnten Griechen wird das hart. Auf der Liste der Kürzungen stehen Steuerfreibeträge für Angestellte (12 000 Euro), die halbiert, und für Freiberufler (6000 Euro), die abgeschafft werden. Im öffentlichen Dienst soll es einen regelrechten Kahlschlag geben, wobei Entlassene nur noch 50 Prozent ihres bisherigen Gehaltes bekommen. Für jeweils zehn Beamte, die aus dem Staatsdienst ausscheiden, darf nur ein neuer Bewerber eingestellt werden. Staatliche Zahlungen an öffentliche Einrichtungen, die sich bisher weigern, ihre Finanzlage zu berichten und prüfen zu lassen, werden gestrichen. Davon sind auch Schulen und Krankenhäuser betroffen.

Als Gegenleistung wird Griechenland möglicherweise schon im Herbst ein zweites Hilfspaket bekommen, das nach ersten Berichten rund 60 Milliarden Euro umfassen soll. Dieses Mal wollen die Euro-Partner private Investoren beteiligt wissen. Am 20. Juni steht die Griechenland-Hilfe auf der Tagesordnung der EU-Finanzminister, die dann darüber abstimmen müssen. "Wir haben getan, was wir konnten. Jetzt müssen die Griechen selbst die Suppe auslöffeln", sagte am frühen Freitagabend ein hoher Diplomat der EU-Kommission. Wie soll Griechenland jemals seine Schulden abbauen, wenn kaum noch investiert und konsumiert wird?

Schick: Die bisherige, maßgeblich von Deutschland inspirierte Strategie des IWF, der EZB und der EU-Kommission hat nicht funktioniert. Geplant war, dass sich Griechenland ab 2012 wieder Geld auf dem freien Kapitalmarkt besorgen kann. Doch das ist utopisch. Deshalb braucht es einen Kurswechsel, damit Griechenland nicht in der Rezession versinkt.

Wie kann der aussehen?

Schick: Wir brauchen ein Investitionsprogramm, damit Griechenland wettbewerbsfähiger wird. Und wir brauchen eine marktschonende Umschuldung, die die privaten Gläubiger beteiligt.

Nach Ansicht vieler Experten würde auch eine Umschuldung zu großen Verwerfungen führen.

Schick: Nötig ist eine nachhaltige Lösung. Und die kann es ohne Umschuldung nicht geben. Sie müsste so ausgestaltet sein, dass Gläubiger ihre Anleihen zum gegenwärtigen Marktwert umtauschen können in neue, europäisch garantierte Anleihen. Also in eine Art Euro-Bonds. Das würde keine massiven Abschreibungen bei den Banken nach sich ziehen.

EZB-Chef Trichet schlägt ein EU-Veto-Recht gegen Haushaltsentscheidungen von Schuldensündern vor. Was halten Sie davon?

Schick: Die Währungsunion bleibt nur dann stabil, wenn es neben der Zentralbank als geldpolitische Autorität auch eine Stelle mit zentraler finanzpolitischer Entscheidungskompetenz gibt. Deshalb ist Trichets Vorschlag für ein europäisches Finanzministerium richtig. Im Gegenzug müssten aber auch die Rechte des EU-Parlaments gestärkt werden. Sonst fehlt es an demokratischer Kontrolle.

Hintergrund

Seit Monaten gibt es verschiedene Vorschläge zur Rettung Griechenlands vor einer Staatspleite. Ein Überblick:

Mehr Hilfen: EU und IWF setzen das bisherige Rettungspaket von 110 Milliarden Euro - also Bürgschaften und zinsgünstige Darlehen - fort, obwohl Griechenland wahrscheinlich die Sparauflagen nur unzureichend erfüllt hat. Um die Märkte zu beruhigen und Griechenland mehr Luft zur Stabilisierung zu geben, könnte das erste Rettungspaket aber auch von einem weiteren ergänzt oder abgelöst werden.

Weiche Umschuldung: Die Rückzahlungsfristen für griechische Staatsanleihen und die Hilfskredite würden verlängert oder weniger Zinsen als geplant ausgeschüttet. Es sind auch noch andere, komplexe Transaktionen - zum Beispiel der Umtausch von Staatsanleihen in sicherere Papiere, aber mit einem Abschlag - denkbar, die eine "offizielle" Umschuldung umschiffen würden. Für die privaten Gläubiger des Landeswäre diese Lösung am ehesten verkraftbar.

Harte Umschuldung: Die Gläubiger müssten im Rahmen eines Schuldenabkommens auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und die Verluste in ihre Bücher nehmen. Das Land wäre einen Teil seiner Schulden dauerhaft los.

Euro-Ausstieg: Eine abgewertete eigene Währung könnte griechischen Unternehmen zwar helfen, allerdings würden wohl bei der Ankündigung einer Rückkehr zur Drachme sofort die Banken gestürmt. Der Ausstieg ist praktisch ausgeschlossen, da politisch derzeit nicht gewollt und logistisch nur schwer umzusetzen. dpa

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