EU will Benimm-Regeln für Geheimdienste

Brüssel · Spähattacken der USA wollen die Staaten der EU künftig ausschließen. Gelingen soll das durch ein Abkommen, in dem sich Europäer und Amerikaner zusichern, sich gegenseitig nicht auszuspionieren.

Dieser Besuch dürfte ziemlich ungemütlich werden: Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel sollen mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama Konsequenzen aus den Lauschangriffen der US-Schnüffler aushandeln. Nach fast siebenstündigen Beratungen verständigte sich der EU-Gipfel am frühen Freitagmorgen auf eine Erklärung, in der betont wird, dass "Partnerschaft auf Respekt und Vertrauen beruhen muss, auch was die Arbeit und die Zusammenarbeit der Geheimdienste anbetrifft". Während die Bundeskanzlerin zu dieser nächtlichen Stunde schon wieder abgeklärt wirkte, war die Wut des französischen Staatspräsidenten noch keineswegs verraucht. "Die erste Regel des guten Benehmens ist", dozierte Hollande, "man überwacht und kontrolliert nicht die Handys von Personen, die man bei internationalen Gipfeln trifft". Insgesamt sollen die USA laut der Zeitung "Guardian" die Kommunikation von 35 internationalen Spitzenpolitikern überwacht haben. Aber jetzt, so Hollande, gehe es darum, "dass sich so etwas nicht wiederholt."

Was die Europäer wollen, ist ein Abkommen für die Geheimdienste nach dem Vorbild der "Five Eyes" (fünf Augen). Unter dieser Bezeichnung hatten sich die Verbündeten aus dem Zweiten Weltkrieg - USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada - zusammengeschlossen und vereinbart, sich nicht gegenseitig auszuspionieren. "Deutschland und Frankreich übernehmen federführend die Gespräche", erklärte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann. "Denn wenn in regelmäßigen Abständen Verdachtsmomente auftauchen, dann muss das alles ausgeräumt werden." Belgiens Premier Elio di Rupo, dessen größtes Telefonunternehmen Belgacom auch von der NSA geknackt wurde, ergänzte: "Das systematische Ausspähen ist nicht länger hinnehmbar." Inzwischen sitze das Misstrauen tief.

Derweil bemühte sich die Bundeskanzlerin bereits wieder, moderierend und ausgleichend zu wirken. "Das Vertrauen ist erschüttert", betonte sie. Aber das werde man "nun wieder aufbauen". Im Übrigen habe sie ihr Telefonverhalten nicht geändert: "Es gibt in meinen Gesprächen eine konsistente Logik. Deshalb glaube ich, dass jeder, der mit mir redet, im Grundsatz immer das Gleiche hört." Für alle staatspolitisch relevante Kommunikation gebe es "Festnetzleitungen, Kryptoleitungen und, wenn man nicht am Ort ist, auch Krypto-Handys". Sie habe sich bereits 2005, als sie ihr Amt als Kanzlerin antrat, für zwei Mobiltelefone entschieden: eines nutze sie als Regierungschefin, ein zweites als CDU-Vorsitzende. "Damit nie der Eindruck entsteht, ich würde Regierungsgelder für Parteikommunikation verwenden". Damit war das Thema aber dann auch schon wieder abgehakt.

Weitergehende politische Konsequenzen wird es wohl nicht geben. Die Forderung nach einem zeitweisen Aussetzen der Verhandlungen über einen gemeinsamen Wirtschaftsraum wurde in der Gipfel-Runde "nicht erhoben", bekräftigte Ratspräsident Herman Van Rompuy. Und auch dem Beschluss des Europäischen Parlamentes, das Abkommen über den Austausch von Bankdaten (Swift) auf Eis zu legen, schloss man sich nicht an. Stattdessen setzt die EU auf ihre eigene neue Richtlinie zum Datenschutz. Doch anders als geplant, soll das Gesetzeswerk nicht bis zur Europawahl im Mai 2014 unter Dach und Fach sein, sondern erst Anfang 2015. "Wir geben uns mehr Spielraum", erklärte Van Rompuy. Denn schließlich sei die Wirtschaft massiv betroffen.

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