EU sucht nach Wegen gegen den Terror

Brüssel · Das erste Mal seit den Anschlägen in Paris kamen gestern die EU-Außenminister in Brüssel zusammen, um über die veränderte Sicherheitslage zu beraten. Neben der Kontrolle der Fluggastdaten wurde auch ein EU-eigener Geheimdienst vorgeschlagen.

Die 28 Außenminister der EU brauchten gestern nur aus dem Fenster zu sehen, um die veränderte Sicherheitslage zu erkennen. Nicht nur vor dem eigenen Tagungsgebäude, auch vor dem Eingang der Brüsseler Kommission auf der gegenüberliegenden Straßenseite patrouillierten schwer bewaffnete belgische Soldaten. Es ist das erste Treffen nach den Attentaten von Paris .

Vorschläge gibt es, die man bis zum Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am 12. Februar in Brüssel zusammenstellen will. "Sinnvoll wäre eine gemeinsame Gefährderdatei, die von allen Sicherheitsbehörden in der EU gepflegt wird", hatte der Chef der christdemokratischen Mehrheitsfraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber , vorgeschlagen - und damit ein Tabu infrage gestellt. Denn während die Zusammenarbeit der Polizeibehörden inzwischen einigermaßen koordiniert abläuft, weigerten sich die Geheimdienste der Mitgliedstaaten bisher oft, ihr Wissen mit anderen zu teilen. Dabei wäre dies dringend nötig, wie Österreichs Außenamtschef Sebastian Kurz in Brüssel betonte: "Es gibt mittlerweile rund 5000 Menschen, die aus Europa in den Kampfeinsatz nach Syrien und in den Irak gezogen sind. Wenn sie zurückkehren, stellen sie ein massives Sicherheitsrisiko dar." Zu den Vorschlägen mit großer Mehrheit gehört der Entzug der Ausweispapiere, um die Reisefreiheit der Betroffenen einzuschränken. Immer mehr Mitgliedstaaten wollen den Vorschlag, den auch die Bundesregierung beschlossen hat, übernehmen. Auch die Kontrolle der Fluggastdaten bei Flügen in die oder aus der EU heraus sowie bei innereuropäischen Verbindungen gewinnt zunehmend mehr Anhänger.

Inzwischen liegt auch ein Vorschlag zur Errichtung eines EU-eigenen Geheimdienstes auf dem Tisch. Zwar gibt es schon den INTCEN (Single Intelligence Assessment Centre) in Brüssel , der dem Auswärtigen Dienst untersteht. Aber deren Mitarbeiter dürfen nicht aktiv spionieren oder Daten sammeln.

Wie wichtig eine engere Zusammenarbeit wäre, zeigt nach Angaben des belgischen Außenministers Didier Reynders die Anti-Terror-Aktion im ostbelgischen Verviers. Sie kam durch eigene Hinweise und "Zuarbeit von außen" zustande. "Es gibt ja eine Kooperation, die in diesem Fall sogar Blutvergießen verhindert hat. Diesen Weg müssen wir fortsetzen. Wir dürfen nicht mehr wie in Paris zu spät kommen", sagte ein hochrangiges Kommissionsmitglied gestern.

Meinung:

Täter verhindern

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Von einer überzeugenden Antwort auf die drastisch gestiegene Terror-Gefahr ist Europa weit entfernt. Die Vorschläge, die den Mitgliedstaaten bisher eingefallen sind, gehören gar nicht in deren Ressort. Die Erfassung der Fluggastdaten , die Vorratsdatenspeicherung und die engere Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten - viel mehr innenpolitische Instrumente hat Europa nicht. Deshalb müssten vielmehr die sozialen Brennpunkte in Städten und Gemeinden entschärft werden, wo jene arbeitslosen Menschen heranwachsen, die von Dschihadisten rekrutiert werden. Die Täter von morgen verhindert man nicht durch mehr Kontrolle, sondern mit einer besseren Wirtschafts- und Sozialpolitik.

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