EU-Reform des Urheberrechts Youtube & Co. im Kampf gegen Europa

Brüssel · Die EU-Reform für ein Urheberrecht im Internet bleibt heftig umstritten. Konzerne schüren Panik. Demnächst wird entschieden. Ausgang offen.

 Symbol Urheberrecht

Symbol Urheberrecht

Foto: SZ/Lorenz, Robby

Bis zu 70 000 Mails am Tag, regelrechte Telefon-Bombardements, verfälschende Videos auf Youtube – selbst für erfahrene EU-Parlamentarier war diese Welle beispiellos. Eine Welle der Empörung und des Lobbyismus gegen das künftige Urheberrecht im Internet, gegen das sich die großen Internet-Konzerne wie Youtube wehrten – und wie. Einige EU-Volksvertreter berichteten, dass sogar Kinder plötzlich über die geplante Reform des Urheberrechts in der Europäischen Union sprechen wollten, weil Youtube behauptet habe, das Internet würde abgeschaltet. Es herrschte Alarm.

„Eine Desinformationskampagne, sehr bitter“, beklagte zwischenzeitlich der CDU-Europa-Abgeordnete Axel Voss, Berichterstatter für das Thema. Dabei wollten die EU-Kommission und das Abgeordnetenhaus doch eigentlich nur eines erreichen: Urheberrechtlich geschützte Inhalte sollen vor dem Ausverkauf bewahrt werden. Dafür müssten die Plattform-Betreiber sorgen. Das umstrittene Instrumentarium dafür beinhalten die Artikel elf und 13 der Richtlinie, über die in den kommenden Wochen die Mitgliedstaaten abstimmen müssen: Zum einen haben Anbieter wie Youtube, Google oder andere künftig dafür zu sorgen, dass geschützte Lieder, Videos, Bilder oder Texte lizenziert werden – soll heißen: Sie müssen für deren Veröffentlichung zahlen. Artikel 13 fordert eine angemessene Abgabe, die den Verlagen ebenso zukommt wie Künstlern, Autoren und Kulturschaffenden. Doch der Streit eskalierte spätestens mit der Behauptung, die EU werde automatische Upload-Filter vorschreiben, die schon beim Bereitstellen beziehungsweise Hochladen (Upload) eines urheberrechtlich geschützten Werkes anschlagen und diese verhindern, falls keine Lizenz erworben wurde. In den einschlägigen Netzforen liefen die User Sturm. Befürchtungen und Behauptungen wurden verbreitet. Wird Wikipedia die Geschäftsgrundlage entzogen? (Nein, natürlich nicht.) Darf ein Nutzer künftig noch auf seiner Facebook-Seite auf einen interessanten Zeitungsartikel verweisen. (Ja, da gibt es keine Einschränkungen). Die Konzerne mischten fleißig mit und schürten das Feuer. Schließlich, sagt die Grünen-Abgeordnete Helga Trüpel, gestalten sie „mit Inhalten, die andere erstellt haben, ein attraktives Umfeld für ihre Werbekunden und machen so Milliardenumsätze, ohne die Urheber an den Einnahmen zu beteiligen“ (siehe Interview unten).

Im September beschloss das Parlament die Reform, die aber schon vorher entschärft worden war – aber das hatten viele Gegner offenbar nicht bemerkt. Von einer Pflicht zu Upload-Filtern, mit denen Gegner den Vorwurf der Zensur stützten, war im Gesetzesentwurf nie die Rede. Der Widerstand blieb ohnehin wenig glaubwürdig: Bei Facebook sind solche automatischen Filter bereits seit zehn Jahren im Einsatz, um nackte Brüste und Terror-Posts zu verhindern – und ohne die Meinungsvielfalt zu beschränken.

Doch noch ist die Reform nicht wirklich beschlossen, denn die entscheidende letzte Runde zum Schutz der Rechte steht erst noch bevor: Anfang dieses Jahres beginnt der sogenannte Trilog, eine Art Vermittlungsverfahren, bei dem die Vertreter des EU-Parlamentes mit den Beauftragten der Mitgliedstaaten verhandeln. Verlage und Gewerkschaften, die das Vorhaben immer begrüßt haben, befürchten einen allzu weichen Kurs der EU-Regierungen. Sie könnten versucht sein, jedes Verärgern der Internet-Konzerne zu vermeiden, heißt es – vor allem, da es in der Mehrzahl um US-Unternehmen geht. Die Beziehungen zu Washington sind wegen eines drohenden Handelskrieges bereits angespannt. Außerdem gelten einige Mitgliedstaaten, in denen die US-Internet-Riesen ihre Europa-Zentralen haben, als wenig bereit, diesen Investoren in den Rücken zu fallen. Wie das digitale Urheberrecht am Ende der Verhandlungen aussieht, scheint völlig offen.

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