EU-Milliarden wurden sinnlos verpulvert

Brüssel. Es ist ein besonders dreistes Beispiel: Stadtväter einer Gemeinde im Herzen der Europäischen Union beantragten 2008 mehrere Millionen Euro in Brüssel, um Druckausgleichstürme zu bauen, mit denen das Wasser aus einem Stausee auf mehrere Orte verteilt werden sollte. Das Geld floss, das Wasser nicht. Der Stausee blieb leer

Brüssel. Es ist ein besonders dreistes Beispiel: Stadtväter einer Gemeinde im Herzen der Europäischen Union beantragten 2008 mehrere Millionen Euro in Brüssel, um Druckausgleichstürme zu bauen, mit denen das Wasser aus einem Stausee auf mehrere Orte verteilt werden sollte. Das Geld floss, das Wasser nicht. Der Stausee blieb leer.

Rund elf Prozent der Mittel, die die EU-Kommission 2008 für derartige regionale Strukturprojekte bewilligte (insgesamt knapp 24 Milliarden Euro), wurden in den Sand gesetzt. Der Europäische Rechnungshof, der gestern seinen Bericht für das zurückliegende Jahr und einen EU-Etat von 116,6 Milliarden Euro präsentierte, listet die peinlichen Vorfälle auf. So gab es EU-Millionen für rumänische Weideflächen, die noch nie ein Rindvieh betreten hat. In Schottland rechneten die Landwirte eine Fläche als Grünland ab, die größer war als die ganze Region. Die Aufstellung reicht von Honoraren für Facharbeiter, die sich nur als Studenten entpuppten, bis hin zum Asphaltieren von Landstraßen, die nur nutzlose Feldwege waren.

Über 30 Prozent aller bewilligten Förder-Anträge waren nicht korrekt. Der Schaden liegt bei fünf Prozent der Ausgaben. "Fehler sind aber nicht gleich Betrug", beeilte sich der zuständige EU-Kommissar Sim Kallas klarzustellen. "Die meisten Fehler wurden auf der nationalen Ebene begangen." Tatsächlich vergibt die Kommission ihre Gelder als Gesamtsumme an die Mitgliedstaaten, die die konkreten Projekte bezuschussen und anschließend abrechnen müssen. Erst dann fällt der Kommission auf, wo Finanzmittel flossen, obwohl die Vorhaben gar nicht förderungswürdig waren oder gegen die Zulassungsvorschriften verstießen.

Und da kommt einiges zusammen. Im Agrarbereich, mit rund 55 Milliarden Euro der am besten gefüllte Fördertopf, waren von "204 untersuchten Vorgängen 32 Prozent fehlerhaft". Weitere 48 Prozent betrafen Maßnahmen, die gar nicht hätten gefördert werden dürfen und die ungenau abgerechnet wurden. "Der ganze Bericht ist eine Blamage für die Mitgliedstaaten", resümierte die liberale Fraktion im EU-Parlament. Trotzdem bekam der Landwirtschaftssektor erstmals kein schlechtes, sondern wenigstens ein "eingeschränktes" Prüfzeugnis, da es gelungen war, offensichtliche Betrugsversuche zurückzudrängen. Die nun aufgedeckten Sündenfälle summieren sich auf immerhin rund 2,9 Milliarden Euro, die Brüssel inzwischen zurückgefordert hat. Wie groß das Problem wirklich ist, zeigt eine andere Zahl des Rechnungshofes: Allein bei den Geldern, die für Projekte zum Aufbau der unterentwickelten EU-Regionen vorgesehen sind, mussten 1,6 Milliarden Euro wieder eingesammelt werden - vier Mal mehr als noch im Jahr zuvor. Dennoch äußerte sich Rechnungshof-Präsident Vitor Caldeira insgesamt zufrieden: "Das Maß der Unregelmäßigkeiten konnte dank verbesserten Managements verringert werden."