EU-Kommission sagt lauten MP3-Playern den Kampf an
Brüssel. Musik macht Spaß, häufig aber auch taub. Vorausgesetzt, sie kommt aus einem MP3-Player, den der Nutzer voll aufgedreht hat. "Ich befürchte, dass bis zu zehn Millionen Menschen in der EU, die mit ihren MP3-Playern und Mobiltelefonen häufig sehr laut Musik hören, unwissentlich ihr Gehör schädigen
Brüssel. Musik macht Spaß, häufig aber auch taub. Vorausgesetzt, sie kommt aus einem MP3-Player, den der Nutzer voll aufgedreht hat. "Ich befürchte, dass bis zu zehn Millionen Menschen in der EU, die mit ihren MP3-Playern und Mobiltelefonen häufig sehr laut Musik hören, unwissentlich ihr Gehör schädigen. Das vor kurzem veröffentlichte wissenschaftliche Gutachten zeigt, dass wir schnell handeln müssen", sagt die Brüsseler Verbraucherschutzkommissarin, die Bulgarin Meglena Kuneva. Sie hatte gestern Experten der Hersteller, Wissenschaftler und Vertreter von Verbraucherschutzorganisationen eingeladen, um über Gegenmaßnahmen zu diskutieren. Zuvor hatte der Wissenschaftliche Ausschuss "neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken" der Europäischen Union bereits festgestellt: Wer täglich nur eine Stunde Musik aus einem tragbaren Gerät zu laut hört, hat nach fünf Jahren unumkehrbare Hörschäden. Dabei gilt schon seit längerem eine europäische Sicherheitsnorm, die den Lärmpegel der tragbaren Musikgeräte (auch Handys, Walkman und alte Kassettenspieler gehören dazu) auf höchstens 100 Dezibel begrenzt. Angeblich liegt die durchschnittliche Geräuschkulisse zwischen 75 und 85 Dezibel. Brüssels Wissenschaftler aber fanden ganz andere Werte heraus: "Je nach Gerät und Ohrhörer erreicht die maximale Lautstärke bis zu 120 Dezibel", heißt es in dem Gutachten der Arbeitsgruppe. Vor allem die beliebten iPod des Herstellers Apple stehen in dem Ruf, so laut wie ein Presslufthammer direkt am Ohr (120 Dezibel) zu sein. Angeblich haben die Amerikaner die Geräte extra so konstruiert, weil Firmenchef Steve Paul Jobs als schwerhörig gilt. Bei diesem Pegel, so begründete ein US-Kläger vor drei Jahren seine Schadenersatzforderung gegen Apple, reichen 28 Sekunden, um dauerhafte Hörschaden zu verursachen. In Frankreich mussten die Geräte vor einigen Jahren vom Markt genommen und neu auf höchstens 100 Dezibel justiert werden. Die Verbraucherschutzkommissarin hat die Industrie gestern aufgefordert, per Selbstverpflichtung die Lautstärke nach oben hin zu begrenzen. Sollte das nicht funktionieren, werde Brüssel notfalls neue Sicherheitsstandards vorgeben. Dies sei dringend nötig: Bayerns Staatsregierung hatte vor zwei Jahren herausgefunden, dass jeder vierte Jugendliche bereits irreversibel geschädigt ist - mit millionenschweren Folgen für die Krankenkassen. Doch zunächst will die Europäische Kommission abwarten. Die Hersteller der 246 Millionen verkauften Geräte betonten gestern, sie würden sich an die geltenden Vorgaben halten und gleichzeitig Kampagnen mittragen, die die Käufer und Nutzer vor den Gefahren zu lauter Musik warnen. Was das konkret heißt, blieb allerdings unklar. "Es muss schon mehr sein als heute, wo man in der Gebrauchsanweisung lediglich einen banalen Satz findet, der auf mögliche Schäden hinweist", hieß es in der Debatte. Denkbar sei auch eine individuelle Höchst-Lautstärke, die man an jedem Gerät einstellen und die dann nicht einfach beim täglichen Betrieb überschritten werden kann. In den letzten Jahren sind die Verkaufszahlen für tragbare Abspielgeräte, insbesondere MP3-Player, rapide gestiegen. Schätzungen zufolge hören in der EU etwa 50 bis 100 Millionen Menschen täglich mit solchen Geräten Musik. In den vergangenen vier Jahren wurden zwischen 184 und 246 Millionen tragbare Abspielgeräte, darunter 124 bis 165 Millionen MP3-Player, verkauft. In der gesamten EU nutzen somit täglich viele Millionen Menschen solche Geräte - und wenn sie dies nicht mit der nötigen Vorsicht tun, gefährden sie möglicherweise ihr Hörvermögen.