EU-Kommission macht Druck auf Afrika

Straßburg · Zuckerbrot und Peitsche – nach diesem Prinzip will die EU-Kommission afrikanische Staaten zur Kooperation in der Flüchtlingskrise bewegen. Wer kooperiert, dem winken Milliarden. Ansonsten droht Abstrafung.

Erst die Türkei, nun Afrika und demnächst auch Asien: Die EU hat eine Initiative in der Flüchtlingskrise angekündigt, die die bisherigen Bemühungen bei weitem in den Schatten stellt. "Wenn wir dem unerträglichen Sterben im Mittelmeer ein Ende setzen und Ordnung in die Migrationsströme bringen wollen, müssen wir die Art und Weise, wie die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Anstrengung bündeln und mit Drittländern zusammenarbeiten, neu überdenken", sagte der Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans bei der Präsentation des Programms.

Angedacht ist eine "Partnerschaft", die ihre zwei Seiten hat: "Es muss Konsequenzen geben für jene, die sich weigern, bei der Wiederaufnahme und Rückführung zu kooperieren", heißt es in dem Dokument. Wer Migranten nicht nur durchwinkt oder abgewiesene Flüchtlinge zurücknimmt, soll künftig mit Milliarden-Zuschüssen oder einer Ausweitung der Handelsbeziehungen belohnt werden. Die anderen werden dagegen mit einem Stopp jeder Zusammenarbeit abgestraft. "Unkooperativen Partnern drohen Konsequenzen", schreibt die EU-Kommission unverhohlen.

Tatsächlich ist man enttäuscht von der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten. Dabei hatte man den Vertretern von 60 Ländern des schwarzen Kontinents beim Gipfeltreffen in Valetta im November deutlich gemacht, wie wichtig die Kooperation sei. "Doch die Nachricht, dass Migrationsfragen jetzt oben auf der Prioritätenliste der EU-Außenbeziehungen stehen", sei nicht bei allen Partnern angekommen. In einem ersten Schritt will Brüssel nun bilaterale Vereinbarungen mit Jordanien, dem Libanon, Tunesien, Nigeria, dem Senegal, Mali, Niger, Äthiopien und Libyen treffen. Danach, so EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, könnten weitere afrikanische und asiatische Staaten folgen.

Der Lohn für eine Zusammenarbeit mit der EU klingt lukrativ: Allein die Kommission will in den nächsten vier Jahren bis zu acht Milliarden Euro aus verschiedenen Töpfen und Programmen zusammenkratzen. Und da es sich bei dem Vorstoß um eine Investitionsoffensive handelt, die zu einer rasanten Entwicklung der benachteiligten Länder führen könnte, seien private und öffentliche Investitionen zusätzlich denkbar, so dass das Fördervolumen auf 31 Milliarden Euro anwachsen dürfte. Avramopoulos weiter: "Wenn sich auch die Mitgliedstaaten und andere Partner entsprechend beteiligen, könnten am Ende sogar Investitionen von bis zu 62 Milliarden Euro mobilisiert werden." Ob solche Hochrechnungen realistisch sind, darf bezweifelt werden. Erst gestern hielt der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU ), den Mitgliedstaaten vor, sie hätten von den bisherigen Zusagen gegenüber den afrikanischen Staaten in Höhe von 1,8 Milliarden Euro gerade mal 81,71 Millionen eingezahlt.

Meinung:

Brüssel hat genug

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes

Auch wenn das neue Vorhaben "Partnerschaft" heißt, so macht die EU doch klar: Die Zeit des Redens ist vorbei. Jetzt müssen die afrikanischen Staaten zeigen, ob sie kooperieren oder nicht. Wer sich weigert, dem drohen Konsequenzen. Brüssel hat genug von der Gleichgültigkeit jener Regierungen, die Migranten einfach weiterwinken und ihre Grenzen nicht kontrollieren. Dabei klingt das, was die EU-Kommission für eine Kooperation anbietet, nicht falsch: Schließlich geht es nicht um ein reines Zuschussgeschäft, wie Entwicklungszusammenarbeit bisher oft funktioniert hat, sondern um eine Investitionsoffensive. Also um den Auf- und Umbau der Staaten - dabei fallen Milliardenaufträge für Investoren ab. Das ist eine Chance, die afrikanische Regierungen nicht leichtfertig ausschlagen sollten.

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