EU-Kommissarin will mehr Macht für Frauen "Nur wenn's gar nicht anders geht"Auch die CSU plant die Einführung einer Frauenquote

Brüssel. Viviane Reding (Foto: afp) liebt deutliche Worte. Nur vier Tage nach ihren scharfen Attacken gegen Frankreich wegen der Roma-Abschiebungen hat die EU-Justizkommissarin aus Luxemburg bereits eine neue Front entdeckt: die männliche Übermacht in Aufsichtsräten und Führungsetagen

Brüssel. Viviane Reding (Foto: afp) liebt deutliche Worte. Nur vier Tage nach ihren scharfen Attacken gegen Frankreich wegen der Roma-Abschiebungen hat die EU-Justizkommissarin aus Luxemburg bereits eine neue Front entdeckt: die männliche Übermacht in Aufsichtsräten und Führungsetagen. "Ich appelliere eindringlich an die großen Konzerne, tätig zu werden und mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen", sagte sie am Freitag. "Als Zielgröße habe ich einen Frauen-Anteil von 30 Prozent in Aufsichtsräten im Auge, der bis 2015 erreicht und bis 2020 auf 40 Prozent erhöht werden soll." Sie drohte den Unternehmensspitzen mit "gesetzgeberischen Maßnahmen". Die aktuellen Zahlen liegen Lichtjahre davon entfernt. In Deutschland sind nach Angaben der Kommissarin beispielsweise nur 13 Prozent der Aufsichtsräte von Dax-Unternehmen weiblich.

Andere Studien bestätigen das Ungleichgewicht. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat herausgefunden, dass über 70 Prozent der deutschen Betriebe von Männern geleitet werden. Und nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung waren im Jahr 2009 die 441 Aufsichtsrats- und Vorstandsposten der 100 größten deutschen Unternehmen zu 99,1 Prozent Männern vorbehalten. "Frauen fordern nicht genug", sagt Reding, eine Parteifreundin von Angela Merkel (CDU). "Ich höre oft: Wir können das nicht. Das ist Quatsch."

Die Diskussion kommt nicht zum ersten Mal auf. Vor allem seitdem Norwegen (dort müssen 40 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt werden) vor Jahren eine Quote eingeführt hat, zieht das Thema Kreise. Das niederländische Parlament verabschiedete eine Vorschrift, der zufolge bis 2016 jeder dritte Führungsjob in Betrieben mit mehr als 250 Angestellten an eine weibliche Bewerber gehen muss. In Frankreich gilt ab 2013 eine Mindestquote von 20 Prozent. Eine ähnliche Zielgröße hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) im Sinn. Bis 2015 hält sie das für "machbar", verkündete sie vor einigen Wochen, nachdem die Telekom als erster und nach wie vor einziger Dax-Konzern eine Quote eingeführt hatte: In den nächsten fünf Jahren sollen dort 30 Prozent der Spitzenjobs mit weiblichen Kandidaten besetzt sein. Das sei, so Reding jetzt, schließlich zum Vorteil der Konzerne. "Unternehmen mit einer ausgeglichenen Geschlechterstruktur erzielen eine höhere Eigenkapitalrendite."

Der Vorstoß klingt allerdings einfacher, als er umgesetzt werden kann. Denn die einschlägigen EU-Richtlinien gegen Diskriminierung schützen genau genommen nicht nur Frauen, sondern eben auch Männer vor Benachteiligung. Daran erinnerte ausgerechnet der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Verfahren gegen die Hansestadt Bremen. Die Richterinnen und Richter stellten dabei ausdrücklich fest, dass eine "Bevorzugung von Frauen bei bestehender Unterrepräsentation und bei gleicher Qualifikation nur dann keine Benachteiligung des männlichen Bewerbers darstellt, wenn mit einer Öffnungsklausel geprüft wird, ob in der Person des Mitbewerbers gelegene Gründe vorliegen". Mit anderen Worten: Bei gleicher Eignung darf nicht automatisch eine Frau (oder ein Mann) bevorzugt werden. Letztlich gibt die Persönlichkeit den Ausschlag, nicht das Geschlecht. Die Besetzung eines Jobs mit Blick auf eine zu erfüllende Frauenquote könnte also ebenso diskriminierend sein wie die Benachteiligung eines Bewerbers wegen seines Geschlechts.München. Die Chancen für Frauen auf Spitzenpositionen in der CSU steigen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte am Freitagabend nach einer Sondersitzung des Parteivorstands in München, ein Antrag der Frauenunion mit der Forderung nach einer 40-Prozent-Beteiligung an Ämtern sei in dem Gremium "auf viel Sympathien gestoßen". Seehofer kündigte an, er werde sein "ganzes Gewicht" in die Waagschale werfen, damit auf dem Parteitag Ende Oktober eine Frauenförderung beschlossen werde, die "diesen Namen verdient".

Die Vorsitzende der Frauenunion, Angelika Niebler, zeigte sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Seehofer zufrieden mit dem Verlauf der Vorstandssitzung. Sie sei zuversichtlich, dass es auf dem Parteitag eine Mehrheit für eine gute Lösung geben werde.

Das Konzept enthält ein Entgegenkommen an die Quoten-Kritiker. Demzufolge soll eine 40-Prozent-Quote für Frauen in Ämtern ab der Kreisverbandsebene nur für den ersten Wahlgang verbindlich festgeschrieben werden. Wenn diese Vorgabe nicht erreicht werden kann, soll im zweiten Wahlgang die Quote nicht mehr gelten. dapd

Frau Schulz, die EU droht mit einer Frauenquote. Was sagen Sie?

Heidrun Schulz: Grundsätzlich ist eine Quote nicht das, was ich für sinnvoll halte. Der Gedanke daran ist zwar nachvollziehbar, aber für mich ist es eher die "Wenn's gar nicht anders geht"-Lösung. Echte Überzeugung und daraus resultierend eine Selbstverpflichtung von Firmen würde mir viel, viel besser gefallen. Nur: Das Ergebnis stimmt noch nicht. Mit Blick auf die demografische Entwicklung werden wir es uns aber nicht leisten können, das Potenzial gut ausgebildeter Frauen verkümmern zu lassen.

Hat sich die Situation denn etwas verbessert in den letzten Jahren?

Schulz: Ja. Ich bin oft im Land unterwegs und treffe deutlich häufiger auf Frauen in Leitungsfunktionen; vor Jahren saß ich da meist noch in reinen Männerrunden. Warum gibt es überhaupt so wenig Frauen in den Chefetagen?

Schulz: Das liegt an beiden Seiten. Einerseits gibt es ein tradiertes Bild einer immer verfügbaren Führungskraft, die nun mal zunächst nicht weiblich ist. Hier ist bei Personalentscheidungen ein Umdenken nötig: Die Spielräume, die flexibles und damit familiengerechtes Arbeiten möglich machen, könnten viel besser genutzt werden. Auch in ganz verantwortungsvollen Positionen ist Teilzeit denkbar. Andererseits müssen die Frauen auch ein Stück selbstbewusster werden und deutlicher machen, dass sie nach oben wollen.

Ist das Saarland besonders rückständig? Zumindest die Erwerbsquote der Frauen ist so gering wie nirgendwo sonst in Deutschland.

Schulz: Die Erwerbsquote ist auffällig, aber daraus kann man nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Führungskräfte ziehen. Wenn ich mir im Saarland Verbände oder Ministerien anschaue, finde ich viele Frauen in Spitzenpositionen.

Meinung

Nur über Quote zum Traumjob?

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Frauen nach oben - der Ruf der EU-Kommissarin ist weder neu noch originell. Trotzdem stimmt ihre Analyse: Die Zahl hochqualifizierter Bewerberinnen hat zugenommen. Aber die Situation in Aufsichtsräten und Unternehmensführungen spiegelt das nicht wider. Zu den Fakten gehört auch, dass viele Frauen immer noch auf andere Weise durch die Familienphase "aufgehalten" werden als Männer. Dazu kommt die nach wie vor mangelhafte Bereitschaft von Männern, familiäre Mitverantwortung zu übernehmen.

Ob eine Frauenquote daran etwas ändert? Sicherlich nicht. Aber sie kann in der Tat ein notwendiges Instrument sein, um Bewusstsein zu schaffen. Ob sich eine hochqualifizierte Frau aber damit zufrieden gibt, vor allem über die Quote an ihren Topjob gekommen zu sein, möchte man um der Betroffenen willen gerne bezweifeln.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort