Es war einmal der Maghreb-Deal

Saarbrücken · Eigentlich hätte der Berlin-Tatverdächtige Anis Amri längst nach Tunesien abgeschoben sein sollen. Doch bei ihm scheiterte, was Bundesinnenminister de Maizière und Saar-Kollege Bouillon (beide CDU) erst im März aushandelten.

 Das Maghreb-Duo: De Maizière (l.) und Bouillon verhandelten noch im Frühjahr in Tunesien – mit Erfolg, wie sie glaubten. Foto: dpa

Das Maghreb-Duo: De Maizière (l.) und Bouillon verhandelten noch im Frühjahr in Tunesien – mit Erfolg, wie sie glaubten. Foto: dpa

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Es war Tag drei ihrer Marathon-Reise durch den Maghreb. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU ) und sein saarländischer Partei- und Ressortkollege Klaus Bouillon wollten die drei nordafrikanischen Krisenstaaten zu effektiven Rückführungsabkommen abgelehnter Asylbewerber bringen. In Marokko und Algerien hatten sie Stunden zuvor bereits Erfolg. Und auch in dem fragilen Staat Tunesien steht an diesem 1. März der Deal. "Ein Durchbruch", wie der Bundespolitiker damals erklärte. Schließlich gab es zuvor noch kein vergleichbares Abkommen mit dem Land.

Doch genau dieses rückt nach dem Lastwagen-Attentat in Berlin erneut in den Fokus. Den soll Anis Amri verübt haben, ein Tunesier, der, ginge es nach dem damaligen Pakt, eigentlich nicht mehr in Deutschland hätte sein dürfen. Die Übereinkunft von Tunis sah vor: In einem ersten Schritt sollten etwa 20 Tunesier in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden, sagte Minister de Maizière damals nach einem Treffen mit Regierungschef Habib Essid. Dabei sollte eine "effektive Rückführung erprobt" werden. An das Pilotprojekt sollte eine Vereinbarung folgen über eine "regelmäßige Rückführung" der Tunesier, die in Deutschland ausreisepflichtig sind. Zudem sollten die Identitäten der Tunesier, die ohne Ausweispapiere ins Land einreisten, künftig binnen zehn Tagen geklärt werden.

Fakt ist aber: Amri hielt sich wahrscheinlich über ein Jahr in Deutschland auf. Und das, obwohl der 24-Jährige bereits im Juni 2016 als Asylbewerber abgelehnt wurde. "Der Mann konnte aber nicht abgeschoben werden, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD ) am Mittwoch. Die tunesischen Ausweispapiere seien erst zwei Tage nach dem Attentat des von März bis September als Gefährder observierten Mannes bei den deutschen Behörden eingetroffen.

Bouillon hatte sich nach den Tunis-Gesprächen gegenüber der SZ "skeptisch" gezeigt. Im Blick hatte er damals die junge Elite in Tunesien: Ihr machen bis heute Kader-Politiker der beim arabischen Frühling abgesetzten Regierung zu schaffen. Diese besetzen noch viele (Spitzen-)Positionen in den Behörden und sollen das Abkommen umsetzen. Skepsis an der neuen Elite und dem Gehalt des März-Deals scheint heute mehr als damals angebracht zu sein.

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