„Es ist immer noch eine Zeitbombe“

Über die aktuellen Entwicklungen in Tschernobyl und das im Saarland besonders gefürchtete französische Atomkraftwerk Cattenom hat SZ-Redakteur Thomas Schäfer mit Michael Grittmann gesprochen, dem stellvertretenden Landesvorsitzenden des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Herr Grittmann, die Atomruine von Tschernobyl ist von einer gigantischen Schutzhülle bedeckt worden. Sind jetzt alle Probleme gelöst?

Grittmann: Ganz im Gegenteil. Ich denke, Tschernobyl ist immer noch eine Zeitbombe. Man hat da jetzt notdürftig mal eine Hülle drüber geschoben, die wird aber auch nicht ewig halten. Früher oder später muss sie ebenfalls ersetzt werden, und die Frage ist, wer das dann noch bezahlt. Die radioaktiven Zerfallsstoffe, die drunter liegen, werden jedenfalls noch viele Tausend Jahre ein Riesenproblem sein.

Der jetzige Stahlmantel soll für die nächsten 100 Jahre den Austritt von Strahlung verhindern - das Ganze ist also nicht mehr als ein kleiner Anfang?

Grittmann: Die hoch radioaktiven Trümmer müssen Hunderttausende Jahre sicher verwahrt werden. Solange bleiben sie extrem gefährlich für alle Lebewesen. Das ist den meisten Leuten gar nicht bewusst, die immer noch für eine Laufzeitverlängerung plädieren. Es ist sagenhaft, was sich die Menschheit da an Problemen aufgeladen hat.

Eine riesige Schutzhülle für Cattenom - das wär's, oder?

Grittmann: Wenn es dort wirklich einmal zu einem Störfall kommen sollte, nützt uns auch solch ein Sarkophag nichts mehr, dann wird die ganze Umgebung verseucht sein.

Wie ist der aktuelle Stand in Sachen Cattenom?

Grittmann: Der Betreiber EDF beharrt auf dem Kraftwerk, es wird auch weiter in Sicherheit investiert, aber die Anlage ist schon so alt, die gesamte Material-Ermüdung kann man nicht aufhalten, daher wird das Ganze immer unsicherer. Der Patient Cattenom wird unserer Meinung nach nur noch mit Notmaßnahmen am Leben erhalten. Wir sehen das mit großem Unbehagen.

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