„Es ist ein Albtraum“

Amsterdam/Kuala Lumpur · Tränen in Amsterdam und Kuala Lumpur: Malaysia und die Niederlande trauern um die Opfer von Flug MH017. Am Tag danach bekommen die Toten ein Gesicht.

In der Abflughalle 3 am Amsterdamer Flughafen Schiphol liegen Blumen und Briefe. "Liebe Therese, wir fahren heute nach Costa Rica, auf den Spuren von dir und deiner Familie", steht auf einer Karte geschrieben. "Ihr seid in diesem Jahr nach Malaysia gefahren? Unvorstellbar, traurig. Ruhe sanft, Gerrit!" Draußen vor der Halle steht eine lange Reihe von Satellitenwagen von Medien aus aller Welt. Von hier aus war am Donnerstag um 12.15 Uhr die Boeing von Malaysia Airlines gestartet. Ziel Kuala Lumpur . Nur wenige Stunden später stürzte die Maschine über der Ostukraine ab. 298 Menschen starben, darunter 189 Niederländer.

Mehrere hundert Angehörige sind in einem Hotel beim Flughafen beieinander. Abgeschirmt von den Medien versuchen sie, das Unfassbare zu begreifen. Sie werden von Psychologen und Ärzten betreut und ständig über neueste Erkenntnisse auf dem Laufenden gehalten. Die Menschen in dem Land trauern um Freunde, Nachbarn, Kollegen oder Mitschüler. Am Tag nach der Katastrophe von Flug MH017 bekommen die Opfer Gesichter. "Mein Nachbar saß in der Maschine", twittert eine Frau. "Er flog in sein Glück, wollte auf Bali bei seiner Freundin wohnen."

Die Kleinstadt Naarden bei Amsterdam trauert um eine junge Mutter und ihre drei Kinder. "Es ist ein Albtraum", sagt Bürgermeisterin Joyce Sylvester. Freunde hatten auf TV-Bildern von der Unglücksstelle den Pass der 13-jährigen Tochter erkannt.

Vor einem Haus einer Familie mit vier Kindern im südniederländischen Dorf Neerkant liegen Blumen und Teddybären, Nachbarn haben Kerzen aufgestellt. Auch die 14-jährige Sherryl wird nicht zurückkehren. Das Mädchen hatte jeden Samstag in einem Supermarkt bei Amsterdam Obst und Gemüse verkauft und jeden Cent gespart. Entsetzt reagierten Kollegen auf den Tod des renommierten Aids-Forschers Joep Lange. Er wollte mit seiner Partnerin an der Welt-Aids-Konferenz in Melbourne teilnehmen. Auch die niederländische Politik trauert. Der sozialdemokratische Abgeordnete Willem Witteveen und seine Familie starben.

Fassungslosigkeit herrscht ebenfalls am Zielort des Unglücksfluges in Kuala Lumpur . Unter den 44 Opfern aus Malaysia ist auch die Schwester von Noraini Mohd Noor. 30 Jahre lang lebte sie schon in der Schweiz. Am Donnerstag sollte Flug MH017 die Frau in den Urlaub nach Kuala Lumpur bringen. "Das wäre das erste Mal seit fünf Jahren gewesen, dass ich sie gesehen hätte", sagt Noraini Mohd Noor, die am Freitag zusammen mit anderen Angehörigen am Flughafen der malaysischen Hauptstadt eintraf.

"Ich habe im Fernsehen die Nachrichten gesehen und bin sofort hergekommen, um mehr Informationen zu bekommen", schluchzt Siti Dina. Ihre Tochter, der Schwiegersohn und drei Enkel waren an Bord. Untröstlich ist auch die 72-jährige Jamilah Noriah Abang Anuar. Sie hatte ihre Familie gegen 16 Uhr zum Fastenbrechen erwartet - vergeblich. "Ich habe meine Tochter und ihre Familie in einem einzigen Augenblick verloren", sagte Jamilah der "New Straight Times".

Den Schmerz können wohl am ehesten die Angehörigen der Opfer des anderen Unglücksflugzeuges der Malaysia Airlines ermessen. "Das ist herzzerreißend", sagt Maira Nari. Ihr Vater gehörte zur Besatzung von Flug MH317, der am 8. März auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking spurlos verschwand "Euer Verlust tut mir aufrichtig leid. Mir fehlen die Worte", sagte sie.

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