„Es hat den Anschein von Glaubenskämpfen“

Die richtige Ernährung ist für manche eine Art Ersatzreligion. Warum das so ist und wie sich das Essverhalten verändert hat, darüber hat sich SZ-Redakteur Thorsten Grim mit Dr. Angelika Thönnes vom Adipositas-Netzwerk Saar unterhalten.

Aspekte wie Moral und Selbstverwirklichung spielen heutzutage eine sehr große Rolle - auch bei der Ernährung. Täuscht der Eindruck, dass die "richtige" Ernährung für manche zu einer Art Ersatzreligion geworden ist?

Thönnes: Dass es manchmal den Anschein von Glaubenskämpfen zwischen den unterschiedlichen Ernährungsüberzeugungen aber auch zwischen den Empfehlungen von Experten und Fachgesellschaften hat, ist richtig. Hier hilft nur eine sachliche Auseinandersetzung. Hinter dem Vorwurf Ersatzreligion verbirgt sich ja unser Wunsch nach möglichst langer Gesundheit und Attraktivität. Dabei hat die Ernährung heute für viele einen hohen bis überhöhten Stellenwert, der mit einer Identifikation über die persönliche Ernährungsweise einhergeht. Es geht nicht nur um die richtige Ernährung, sondern um ein ganz persönliches Selbstverständnis. Den Sinn gebenden Charakter einer Religion kann Ernährung nicht erfüllen. Positiv ist, dass man sich vermehrt mit Ernährung beschäftigt, dass wir mehr erfahren über die gesundheitlichen Auswirkungen und über Produktionswege und entscheiden können, was dabei unsere Verantwortung ist.

Ist eine Ernährung, die ganz auf tierische Produkte verzichtet, gesund? Gerade auch für Kinder und Heranwachsende?

Thönnes: Vegetarische Ernährung ist unbedenklich, vegane Ernährung bei Kindern sehe ich indes kritischer, denn sie hat oft einen Vitamin-B-12-Mangel zur Folge. Vereinfacht gesagt ist es eine große Anforderung, bei veganer Ernährung komplett ohne die Ergänzung bestimmter Vitamine und Mineralstoffe auszukommen. Sehr versierte Veganer schaffen das, die kennen sich in der Palette so aus, dass sie drohenden Vitaminmangel ausgleichen können und daher auch durchaus gesund leben.

Einfluss auf die Ernährung haben auch Medien. Animieren superschlanke Models zum Nacheifern?

Thönnes: Die Überbewertung des Äußeren, vor allem der Figur führt zu einer kritischeren Einstellung gegenüber dem Körper, dies ist bereits bei Kindern festgestellt worden. Die kann eine Ursache für ein gestörtes Essverhalten werden. Wenn ich mit mir nicht zufrieden bin, versuche ich ständig an mir herumzuexperimentieren und nach neuen Wegen zu suchen, wie ich es hinbekomme, so schlank zu sein. Uns werden ja auch immer wieder neue Diäten offeriert, die dabei helfen sollen. Doch da darf man sich nicht blenden lassen: Diese Diäten sind nicht selten der Einstieg in ein gestörtes Ernährungsverhalten und begünstigen damit eher Übergewicht und Adipositas. Die Störung eines ausgewogenen Essverhaltens ist der Einstieg in die Übergewichtsentwicklung.

Das ganze Interview findet sich im Netz unter: www.saarbruecker-zeitung.de/interviews

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