„Es gab viel Wunschdenken über Obama“

Die krachende Niederlage für Präsident Obama bei den Kongresswahlen bekommt auch Europa zu spüren. Warum, erklärt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik SZ-Korrespondent Werner Kolhoff.

Wie erklären Sie sich den Erdrutschsieg der Republikaner in beiden Kammern?

Braml: Die wirtschaftliche Lage in den USA ist nicht annähernd so gut wie sie in Europa beschrieben wird. Die meisten Amerikaner leben in einer sehr prekären Lage. Das Wachstum war künstlich durch die Gelddruckmaschinen der Notenbank erzeugt. Diese Politik des billigen Geldes hat nur wenigen Wohlhabenden genutzt.

Verändert die neue Lage auch den außenpolitischen Spielraum des Präsidenten?

Braml: Nein, denn der vermeintlich mächtigste Mann der Welt wird schon länger in der Außenpolitik von der eigenen Legislative blockiert. Nur über den Einsatz von Soldaten oder Drohnen und die Geheimdienste kann er mehr oder weniger allein entscheiden. Hier gibt es eher zu wenig Kontrolle durch den Kongress. Aber in allen anderen Fragen, vor allem in der Handelspolitik, ist Obama schon länger blockiert und wird es weiterhin bleiben.

Was bedeutet das für das transatlantische Freihandelsabkommen?

Braml: Man sollte hierzulande sehr gut überlegen, wie viel Energie man noch darauf verwenden will. Obama wird es nicht durch den Kongress bringen. Er wird schon an den eigenen Parteifreunden scheitern, und die Republikaner werden ihm nicht helfen.

Wird der Kurs gegenüber Moskau jetzt härter?

Braml: Ich glaube nicht. Für die Amerikaner ist die Krise in der Ukraine sehr weit weg. Auch Obama sieht Russland nicht als echte Bedrohung, sondern nur noch als Regionalmacht. Eher versucht man Russland bei den Atomverhandlungen mit dem Iran oder beim Truppenabzug aus Afghanistan einzubinden.

Das wird Europa enttäuschen.

Braml: Die Europäer haben zu viel von Amerika erwartet. Da war auch viel Wunschdenken im Spiel, das jetzt einem Realitäts-check ausgesetzt ist. Die Europäer sollten sich eingestehen, dass die USA nicht der große, starke Bruder sind, der immer hilft. Sie sollten sich stärker selbst um ihre eigene Sicherheit kümmern.

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