Erzieher auf den Barrikaden, Eltern im Frust

Köln. Streikwoche sechs ist angelaufen. Zehntausende Erzieher verweigern die Arbeit. Allein am Montag gehen mehr als 30 000 Beschäftigte aus allen Teilen Deutschlands auf die Barrikaden, statt in die kommunalen Kitas. Die Gewerkschaften sprechen von einem beispiellosen Arbeitskampf im Erziehungsbereich

Köln. Streikwoche sechs ist angelaufen. Zehntausende Erzieher verweigern die Arbeit. Allein am Montag gehen mehr als 30 000 Beschäftigte aus allen Teilen Deutschlands auf die Barrikaden, statt in die kommunalen Kitas. Die Gewerkschaften sprechen von einem beispiellosen Arbeitskampf im Erziehungsbereich. Mit Rasseln, Trillerpfeifen und Hupen ziehen die Sozialarbeiter und Erzieherinnen zu Tausenden durch Köln, trommeln lautstark für mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und einen tarifvertraglich abgesicherten Gesundheitsschutz. Doch zugleich geht Eltern und Kindern die Puste aus. Die Solidarität sinkt. Rechtsanwälte raten Betroffenen, Kita-Beiträge zurückzufordern. "Für die Eltern tut es einem allmählich richtig weh", sagt eine 41-jährige Kölner Erzieherin. "Aber wir müssen das jetzt durchziehen. Ich bin seit 20 Jahren in der Kita, abends völlig fertig, meine eigenen Kinder haben nichts von mir. Ohne bessere Arbeitsbedingungen halte ich nicht durch."

Katja Brieske, aus dem Kreis Gießen zur Demonstration nach Köln angereist, betont: "Es wird nicht honoriert, was wir an pädagogischer Arbeit leisten für den Nachwuchs und damit ja auch für die Zukunft des Landes. Wir erhalten doch nur einen Hungerlohn." Eine Kollegin aus Stuttgart trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift: "Ich arbeite gern . . . aber nicht um jeden Preis." Seit drei Jahren im Job, erhält sie als Vollzeitkraft 1300 Euro netto im Monat.

Auch Gabriele Kopec aus Hattingen marschiert im Demo-Zug durch die Innenstadt mit. "Der Druck und die Anforderungen sind dramatisch gestiegen, wir brauchen mehr Personal und ein gesundheitlich besseres Arbeitsumfeld. Davon profitieren ja auch direkt die Kinder." Eine 31-Jährige erklärt: "Bei uns wird alles abgefragt. Die Aufgaben fordern den ganzen Menschen, emotional, fachlich, von der Persönlichkeit her - das powert aus." Kleinere Gruppen, Lärmschutz, bessere Räumlichkeiten und Ausstattung könnten helfen. Auf den Transparenten ist zu lesen: "Wir sind mehr wert" oder "100-prozentige Ausbildung, 100-prozentige Arbeit - 0 Prozent Anerkennung."

Von den Politiker-Auftritten in Köln hält die Frankfurter Erzieherin Dorothea Schneider wenig. "Natürlich wertet das eine Demo auf, wenn eine Familienministerin oder ein Parteichef kommen, aber die hängen sich doch nur an das Thema dran, machen Versprechungen so kurz vor den Wahlen." Eine Kollegin meint: "Den Damen und Herren aus der Politik geht es nur um Selbstdarstellung. Man soll uns bitte nicht für dumm verkaufen." So werden Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und SPD-Chef Franz Müntefering bei der zentralen Veranstaltung in der Kölner Innenstadt auch mit lauten "Buh"- und "Pfui"-Rufen empfangen. Von der Leyen appellierte an die Kommunen, sie sollten finanzielle Spielräume - etwa aus dem Konjunkturpaket II - für die Gehälter der Erzieher einsetzen. Seit 1991 hätten sie nicht mehr Geld im Portemonnaie, zugleich seien aber die Anforderungen an sie gestiegen. "Das alles gibt es nicht zum Nulltarif", rief die Politikerin den Demonstranten zu.

Der Arbeitskampf macht unterdessen Eltern und Kinder mürbe. "Die Eltern fühlen sich im Stich gelassen", sagt Eike Ostendorf-Servissoglou vom Verband Berufstätiger Mütter in Köln. Der Ausfall sei kurzfristig, kaum planbar und verlange den Eltern nun schon seit Wochen maximales Organisationstalent ab. Mit den finanziellen Belastungen - etwa für das Engagieren eines teuren Babysitters - sehen sich die Väter und Mütter alleingelassen. Immer mehr Menschen in Deutschland rufen nach einem Streik-Stopp. "Wir sind

mehr wert."

Aufschrift auf einem Transparent bei der Kölner Großdemo

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