Erster Piraten-Prozess seit 400 Jahren in Deutschland

Hamburg. Sie tauchen aus dem Nichts mit ihren Fischerbooten auf, sind schwer bewaffnet mit automatischen Gewehren und Panzerfäusten und skrupellos in ihrem Vorgehen. Die "modernen" Piraten des 21. Jahrhunderts haben nichts gemein mit der karibischen Abenteuer-Romantik aus den Hollywood-Studios

Hamburg. Sie tauchen aus dem Nichts mit ihren Fischerbooten auf, sind schwer bewaffnet mit automatischen Gewehren und Panzerfäusten und skrupellos in ihrem Vorgehen. Die "modernen" Piraten des 21. Jahrhunderts haben nichts gemein mit der karibischen Abenteuer-Romantik aus den Hollywood-Studios. Diese Erfahrung musste auch die Besatzung des Hamburger Containerschiffs "Taipan" machen, das im April dieses Jahres vor der somalischen Küste von Piraten überfallen wurde. Jetzt müssen sich die zehn Somalier vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Seit rund 400 Jahren kommt es somit in Deutschland erstmalig wieder zu einem Prozess gegen Seeräuber. Die Anklagebehörde wirft den zwischen 17 und 48 Jahre alten Ostafrikanern vor, Anfang April 530 Seemeilen vor der Küste Somalias das Hamburger Containerfrachtschiff "Taipan" mit Waffengewalt gekapert und die 15 Seeleute, unter ihnen auch zwei Deutsche, als Geiseln genommen zu haben. Ein niederländisches Marinekommando überwältigte die Piraten schließlich in einem Schusswechsel an Bord des Schiffes und befreite die Besatzungsmitglieder. Im Juni wurden die tatverdächtigen Männer von den Niederlanden nach Deutschland überstellt und sitzen seitdem in Hamburg in Untersuchungshaft. Die Hamburger Staatsanwaltschaft sieht die Beweislast als ausreichend an. Die Anklagebehörde kann dabei neben den Aussagen der Besatzungsmitglieder auch auf das umfangreiche Waffenarsenal der Piraten verweisen, dass von den niederländischen Soldaten sichergestellt wurde, darunter fünf Kalaschnikow-Maschinenpistolen, zwei Raketenwerfer und jede Menge Munition. Bei einer Verurteilung droht den Angeklagten bis zu 15 Jahre Haft. Der Überfall auf die "Taipan" steht dabei exemplarisch für eine weltweit bedrohliche Zunahme von Piratenüberfällen auf die zivile Seeschifffahrt. Allein im Südchinesischen Meer hat sich mit 30 gemeldeten Piraten-Angriffen die Anzahl der Vorfälle gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar verdreifacht. Das in London ansässige Internationale Schifffahrtsbüro beobachtet seit Anfang der 90er Jahre kontinuierlich die Entwicklung der Piraterie auf allen Weltmeeren und vermeldet in seinem neuesten Quartalsbericht einen erneuten Anstieg der Überfälle auf See. So kam es allein in den Monaten Januar bis September 2010 zu weltweit 289 Zwischenfällen. Die meisten Überfälle - nämlich 56 - fanden vor der somalischen Küste statt, gefolgt von den Routen im Golf von Aden (44) und dem Südchinesischen Meer (30).

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