Erst ersehnt und dann verstoßen

Bangkok · Die Kulleraugen von Baby Gammy rühren die Welt. Seine Geschichte, wie die Thailänderin Pattaramon sie erzählt, ist traurig. Viele Paare, die sich mit einer Leihmutter den Babywunsch erfüllen wollen, bangen jetzt um ihren Lebenstraum.

Erst ersehnt und dann verlassen: Seine Eltern wollen von Baby Gammy nichts mehr wissen, weil der kleine Junge mit Down-Syndrom auf die Welt kam. Nun kümmert sich wohl oder übel die Thailänderin Pattaramon Janbua (21) um das Kind, das sie wie Gammys Zwillingsschwester als Leihmutter für australische Eltern ausgetragen hat. Das gesunde Mädchen nahmen die Eltern mit, Gammy blieb zurück.

Schlimmer noch: Der sieben Monate alte Gammy ist an einer Lungenentzündung erkrankt. Inzwischen werde das Kind in einer Privatklinik in Bangkok betreut, sagte Peter Baines, Gründer einer Hilfsorganisation, dem australischen Sender Channel 7. "Der Zustand des Babys hat sich etwas verbessert, es wird intravenös mit Medikamenten versorgt", sagte der Journalist Tim Shaw, der Gammy und die Leihmutter im Krankenhaus besuchte.

Der Fall von Baby Gammy hat in Australien große Empörung und eine enorme Hilfsbereitschaft ausgelöst. Bis gestern Abend kamen bei der Onlinekampagne "Hope for Gammy" umgerechnet 150 000 Euro zusammen.

Unklar ist vieles: Wer hat das Geschäft für Pattaramon angebahnt? Offenbar ist es bisher niemandem gelungen, die beteiligte Leihmutteragentur aufzuspüren. Waren die Käufer wirklich Australier? Pattaramon sagt, sie habe das Paar nie gesehen. Wissen die biologischen Eltern von Gammy? Hat die Agentur ihnen den Down-Syndrom-Zwilling verschwiegen? Oder erzählt, er sei gestorben?

Anwälte nehmen an, dass der Fall Gammy das Aus für die bislang liberale Handhabung von Leihmutter-Geschäften in Thailand bedeutet. "Das wird den Traum vieler Paare, die sich sehnlich Kinder wünschen, zerstören", sagt ein ausländischer Anwalt, der nicht mit Namen genannt werden will. Rund 2000 Thailänderinnen brächten jährlich Babys für ausländische Paare zur Welt, schätzt er. "Ich habe auch einem deutschen Paar geholfen. Die Frau hatte Gebärmutterkrebs und konnte keine Kinder bekommen. Eine Leihmutter in Thailand war der einzige Weg zum Familienglück." In Deutschland sind solche Geschäfte verboten.

Beim Auswärtigen Amt heißt es: "Leihmutterschaftsverträge, in denen sich eine Frau bereit erklärt, sich einer künstlichen oder natürlichen Befruchtung zu unterziehen oder einen nicht von ihr stammenden Embryo auf sich übertragen zu lassen oder sonst auszutragen, sind in Deutschland sittenwidrig und damit nichtig."

Es gibt dennoch Wege, Anwälte in Thailand sind erfinderisch: "Die deutschen Behörden dürfen von der Leihmutterschaft nichts wissen", schreibt etwa die Kanzlei Thailand Surrogacy Law. "Einmal in Deutschland, kann der Vater sich das alleinige Sorgerecht sichern." Agenturen preisen ihre Leihmütter im Internet an, IVF Sunrise zum Beispiel: "Die jungen Frauen leben gesund, in ökologisch sauberen Regionen ohne Fabriken und Kraftwerke und folgen allen ärztlichen Anweisungen." Bangkok Surrogacy bietet auch Eizellen: "Kaukasische Eizellspenderin: 10 000 Dollar" - gemeint sind weiße Frauen - "Thailändische/Chinesische Eizellspenderin: 5000 Dollar. Wir haben über 100 Spenderinnen, darunter Anwältinnen, Ingenieurinnen, Lehrerinnen und Wissenschaftlerinnen."

Der Leihmuttermarkt boomte in Thailand nach Angaben des ausländischen Anwalts zuletzt auch deshalb, weil sich hier schwule und lesbische Paare aus anderen Ländern Kinderwünsche erfüllen konnten. Indien hat Leihmutterschaften für gleichgeschlechtliche Paare verboten. "Thailand ist die ideale Destination für schwule Wunscheltern", preist Thailand Surrogacy. "Mit uns bekommen sie alle juristische, medizinische und psychologische Unterstützung, die nötig ist."

Hilfe braucht jetzt vor allem der kleine Gammy. Das gespendete Geld könnte ein Anfang für eine bessere Zukunft sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort