Erschütternde Zahlen

Washington. Rund 780 Millionen Liter oder 4,9 Millionen Barrel - das ist das Volumen des Öls, das an der Unglücksstelle der "Deepwater Horizon" seit dem 20. April in den Golf von Mexiko strömte. Diese Menge würde ausreichen, 260 olympische Schwimmbecken bis zum Rand zu füllen. Diese Schätzungen der US-Regierungsexperten liegen damit zwölf Mal über denen zu Beginn der Katastrophe

Washington. Rund 780 Millionen Liter oder 4,9 Millionen Barrel - das ist das Volumen des Öls, das an der Unglücksstelle der "Deepwater Horizon" seit dem 20. April in den Golf von Mexiko strömte. Diese Menge würde ausreichen, 260 olympische Schwimmbecken bis zum Rand zu füllen. Diese Schätzungen der US-Regierungsexperten liegen damit zwölf Mal über denen zu Beginn der Katastrophe. "Wir haben niemals zuvor ein Leck dieser Größe in der Tiefsee gehabt", fasst Meereskundler Ian MacDonald gegenüber der US-Presse den Befund der Expertengruppe zusammen, die Präsident Barack Obama vor Wochen eingesetzt hatte, um genaue Aussagen über das Ausmaß der Katastrophe treffen zu können. Bisher galt die 1979 außer Kontrolle geratene Quelle Ixtoc 1 vor der Küste Mexikos als das größte Öldesaster in der Geschichte. Damals traten rund 3,3 Millionen Barrel Öl ins Meer aus. BP gelang es inzwischen, durch den Einsatz unterschiedlicher Technologien rund ein Viertel des Öls abzusaugen, einzufangen oder auf dem Meer zu verbrennen. Was mit den übrigen drei Viertel geschehen ist, die in den Golf von Mexiko flossen, bleibt weiterhin unklar. Bei Überflügen lässt sich aus der Luft kaum mehr Öl an der Oberfläche des Meeres ausfindig machen. Ein Teil des ausgetretenen Rohstoffs dürfte verdunstet sein. Größere Mengen verschwanden dank des gesegneten Appetits ölfressender Mikroben. Und der Rest? Der könnte nach den Befürchtungen der Experten weiterhin in gewaltigen Ölwolken über dem Meeresboden schweben. "Wir wissen einfach nicht, welche Konsequenzen das hat", beschreibt der Umweltexperte Ron Kendall gegenüber der "Washington Post" die Unsicherheit der Wissenschaftler über die Langzeitwirkung des Öls in der Tiefsee. Das Fehlen von Vergleichsdaten hängt mit der Entscheidung BPs zusammen, erstmals in der Geschichte Öl-Lösungsmittel direkt am Leck einzusetzen. Die in Massen verwendete giftige Chemikalie "Corexit" brach den Rohstoff in kleine Partikel auf, die erst gar nicht an die Oberfläche kamen. "Diese Stoffe hallen im Ökosystem nach", ist sich Meereskundler MacDonald sicher. "Ich werde noch bis zum Ende meines Lebens davon hören." Die zuständigen Aufsichtsbehörden versprechen indes, nicht locker zu lassen und die Auswirkungen der Öl-Katastrophe genauestens zu verfolgen. Auf BP kommen in jedem Fall erhebliche Kosten zu, die weit über die 20 Milliarden US-Dollar hinausreichen werden, die der Konzern bereits für einen Entschädigungsfonds zugesagt hatte. Wenn die Dinge für den britischen Konzern ganz schlecht laufen, liegt allein die fällige Umweltstrafe für das Ölleck bei bis zu 21 Milliarden US-Dollar (16,4 Milliarden Euro). Die Strafe errechnet sich aus dem Volumen des ausgelaufenen Öls. Dabei kommt es freilich darauf an, ob dem Konzern grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.Nach dem Gesetz für sauberes Wasser liegt die Strafe für ein unverschuldetes Unglück bei 1100 Dollar je ausgelaufenem Barrel. Stellt die Regierung dagegen grobe Fahrlässigkeit fest, steigt diese auf 4300 US-Dollar je Barrel. Gewiss wird BP alles versuchen, um nicht die höchste Strafe zu erhalten. Gestern wollte BP mit letzten Tests das endgültige Versiegeln der Quelle vorbereiten. Wenn alles nach Plan läuft, besteht die Hoffnung, den Ölfluss bereits in den nächsten Tagen permanent am Fuß der Quelle zu unterbinden. Das Ende eines ökologischen Albtraums, der alle Seiten teuer zu stehen kommt. Meinung

Kein Kuhhandel mit BP

Von SZ-KorrespondentThomas Spang Selbst wenn es BP gelingt, die Macondo-Quelle im Golf von Mexiko in den kommenden Tagen dauerhaft zu versiegeln, gibt es noch längst keinen Grund, die Korken knallen zu lassen. Vor allem bei dem Öl-Konzern nicht. Denn auf diesen rollt nach den Zahlungen in den Entschädigungs-Fonds nun eine zweite Welle an Kosten zu. Ausgelöst durch die offiziellen Schätzungen über das Ausmaß das Katastrophe.Demnach hat sich BP den zweifelhaften Titel verdient, der größte Dreckfink aller Zeiten zu sein. Nie zuvor floss mehr Öl unkontrolliert ins Meer wie nach dem Unglück der "Deepwater Horizon". Falls der Konzern seine Versprechen Ernst meint, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, sollte BP auf einen langwierigen Rechtsstreit über die erwarteten Umwelt-Bussgelder verzichten. Wahrscheinlich ist das hingegen nicht. Die US-Regierung sollte sich indes auf keinen Kuhhandel einlassen. Denn es bedarf jetzt eines unmissverständlichen Signals an andere potenzielle Verschmutzer. Gerade auch deshalb sollte BP für jeden Tropfen Öl zahlen müssen, mit dem es den Golf von Mexiko verpestete.

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