"Errungenschaft rückt wieder ins Bewusstsein"

Im Elysée-Vertrag wird die deutsch-französische Versöhnung als geschichtliches Ereignis bezeichnet. Gibt es heute noch ein Bewusstsein dafür in beiden Völkern?Lammert: Eher nicht. Gerade wir Deutschen haben ja eine besondere Begabung dafür, etwas, was man lange für völlig ausgeschlossen gehalten hat, hinterher umso schneller für selbstverständlich zu nehmen

Im Elysée-Vertrag wird die deutsch-französische Versöhnung als geschichtliches Ereignis bezeichnet. Gibt es heute noch ein Bewusstsein dafür in beiden Völkern?

Lammert: Eher nicht. Gerade wir Deutschen haben ja eine besondere Begabung dafür, etwas, was man lange für völlig ausgeschlossen gehalten hat, hinterher umso schneller für selbstverständlich zu nehmen. Man nehme nur die Wiedervereinigung unseres Landes. Das gilt wohl auch für das deutsch-französische Verhältnis. Aber man muss damit nüchtern umgehen. Die meisten Menschen haben eben - zum Glück - nie andere Verhältnisse kennengelernt, als die, unter denen wir heute leben.

Am Dienstag gibt es eine Großveranstaltung der politischen Eliten beider Länder. Kann so etwas die deutsch-französischen Beziehungen wieder beleben?

Lammert: Jedenfalls trägt dieser Tag dazu bei, eine Errungenschaft wieder ins öffentliche Bewusstsein zu heben, die nicht mehr das Alltagsbewusstsein prägt, weil sie Normalität geworden ist. Ohne den Aussöhnungsprozess zwischen Deutschland und Frankreich hätte es die europäische Entwicklung so nicht geben können, auch nicht die deutsche Einigung. Wie nachhaltig die Initialzündung einer solchen Veranstaltung wirkt, wird man sehen. Bestandteil der Erklärung, die wir am Dienstag gemeinsam beschließen werden, sind deshalb auch konkrete Schritte zur weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit. Nicht zuletzt der jungen Generation über das deutsch-französische Jugendwerk.

Ist es überhaupt richtig, dass die deutsch-französische Freundschaft in Zeiten offener Grenzen in Europa noch so überhöht wird?

Lammert: Eine Überhöhung wäre in der Tat falsch. Dass es aber in Europa ohne eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich keinen Fortschritt gibt, davon kann man sich jede zweite Woche bei beliebigen europäischen Verhandlungsgegenständen überzeugen.

In militärischen Konflikten rund um Europa scheinen Deutschland und Frankreich noch nicht ziemlich beste Freunde zu sein. Deutschland hält sich raus und lässt Frankreich kämpfen, siehe Libyen. Und jetzt in Mali schickt Deutschland wieder nur zwei Transall-Flugzeuge. Reicht das?

Lammert: Sicher nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendjemand das für den deutschen Beitrag hält. Ich verstehe das eher als ein erstes demonstratives Signal, dass wir uns nicht ähnlich wie im Fall Libyen positionieren. Was Deutschland am Ende wirklich in und für Mali leistet, wird Gegenstand der weiteren Entwicklung und von Verhandlungen sein. Dann wird man auch darüber diskutieren müssen, in welcher Form das der Zustimmung des Bundestages bedarf.

Lesen Sie das ganze Interview unter www.saarbruecker-zeitung.de/elysee50

Foto: Lübke/dpa

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