Erhöhtes Risiko für "weiche Ziele"

Karlsruhe. Auch nach der Festnahme dreier mutmaßlicher Al-Qaida-Mitglieder gibt es in Deutschland ausdrücklich keine Entwarnung. Man habe sich in einer "Dilemma-Situation" befunden, sagt der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. Einerseits war das Netzwerk um die drei Verdächtigen "noch nicht zu 100 Prozent aufgeklärt"

Karlsruhe. Auch nach der Festnahme dreier mutmaßlicher Al-Qaida-Mitglieder gibt es in Deutschland ausdrücklich keine Entwarnung. Man habe sich in einer "Dilemma-Situation" befunden, sagt der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. Einerseits war das Netzwerk um die drei Verdächtigen "noch nicht zu 100 Prozent aufgeklärt". Andererseits waren sie in ihren Anschlagsvorbereitungen offenbar schon so weit, dass die Ermittler von einem erhöhtem Risiko für "weiche Ziele" ausgehen mussten - also für Menschen. Deshalb schlugen die Ermittler zu.Auch wenn bislang nur gegen die drei Männer aus Nordrhein-Westfalen förmliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden - die Beamten des BKA versuchen nun, das Umfeld auszuleuchten. Das könnte nach den Festnahmen schwieriger werden. Ziercke geht von einem Netzwerk von sieben bis acht Personen aus. "Aber es können auch mehr sein."

Nach den bisherigen Erkenntnissen wollten die Festgenommenen mit einer Splitterbombe möglichst viele Menschen töten oder verletzen. Veranstaltungen im Großraum Düsseldorf hätten ein Ziel sein können, vielleicht auch ein Bus oder eine Bushaltestelle. Zuletzt bastelten sie an einem Zündmechanismus. "Bombe ist nicht so schwer, aber Zünder ist mehr Gefahr", haben sie den Abhörprotokollen zufolge gesagt.

Zusätzlich aufgeputscht wurden die drei Religionskrieger durch die Nachricht aus Marrakesch, wo am Donnerstag bei einem Terroranschlag 16 Menschen getötet wurden. "Marrakesch hätte stimulierendes Ereignis sein können", sagte Ziercke. Auch deshalb entschlossen sich die Fahnder zu einer schnellen Festnahme - auch wenn die Ermittler offenbar noch nicht sehr viele gerichtsfeste Beweise gegen die drei Festgenommenen in den Händen halten. "Die Beweismittel-Erlangung für die Strafverfolgung kann erschwert werden", so Ziercke.

Seit einem halben Jahr stand die Gruppe um den 29-jährigen Marokkaner Abdeladim El-K. unter Beobachtung der Ermittler. Der ehemalige Maschinenbaustudent, der seit 2001 in Deutschland lebte, soll Anfang vergangenen Jahres in ein Ausbildungslager von Al Qaida im Grenzgebiet von Pakistan und Afghanistan gereist sein. Dort habe er von einem hochrangigen Mitglied des Terrornetzwerks den Auftrag erhalten, in Deutschland einen Sprengstoffanschlag zu verüben.

Die Ermittlungen gegen die Männer standen im Zusammenhang mit verschiedenen Hinweisen, die im Herbst vergangenen Jahres zu einer "Terrorwarnung" führten. Die Festnahme könnte dazu führen, so Ziercke, dass "die Aufklärung des Netzwerks erschwert sein könnte". Er könne keine Entwarnung geben. "Wir müssen in Deutschland weiterhin mit Anschlägen islamistischer Terroristen rechnen."

Ziercke verwies auf Schätzungen, wonach sich in Deutschland etwa 1200 Personen "aus dem gesamten Spektrum des islamischen Terrorismus" aufhielten. Das BKA wisse von 80 Islamisten, die zur Ausbildung in Terrorcamps waren. "An der Zahl sehen Sie, dass wir es wirklich mit einem Problem zu tun haben."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort