Erbitterter Streit um ein schleierhaftes Gesetz

Paris. Bis auf die Augen verschleiert steigt Kenza Drider am Montag in den Frühzug von Avignon in die Hauptstadt Paris - ausgerechnet an dem Tag, an dem in ganz Frankreich das angekündigte Burkaverbot in Kraft tritt. "Ich begehe kein Verbrechen, ich bin durch und durch Französin, und ich übe meine europäischen Rechte aus", sagt die 32-jährige Muslimin aus der Provence

 Vollverschleierung (hier ein Nikab) ist jetzt verboten. Foto: dpa

Vollverschleierung (hier ein Nikab) ist jetzt verboten. Foto: dpa

Paris. Bis auf die Augen verschleiert steigt Kenza Drider am Montag in den Frühzug von Avignon in die Hauptstadt Paris - ausgerechnet an dem Tag, an dem in ganz Frankreich das angekündigte Burkaverbot in Kraft tritt. "Ich begehe kein Verbrechen, ich bin durch und durch Französin, und ich übe meine europäischen Rechte aus", sagt die 32-jährige Muslimin aus der Provence. Dazu gehöre nicht nur, dass sie sich frei bewegen und ihre Meinung sagen könne, sondern auch, dass sie ihre Religion frei ausüben könne. Wenn die Polizei ihr wegen ihres Ganzkörperschleiers einen Strafzettel aufbrummen wolle, bitteschön. Dann werde sie die Strafe zahlen - und vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen."Ich will überhaupt keinen provozieren", sagt Drider, die in Avignon von ihrem Mann zum Bahnhof gebracht worden ist. Die traditionelle afghanische Burka ist in Frankreich seit gestern tabu. Die Republik mit der größten muslimischen Gemeinde Europas will keine Frauen mehr vom Scheitel bis zur Sohle verschleiert sehen, wie Staatschef Nicolas Sarkozy seit zwei Jahren betont.

Theoretisch kann die Polizei einer Muslimin künftig eine Strafe von bis zu 150 Euro und einen Schnellkurs in Staatsbürgerkunde aufbrummen, wenn sie sich mit verschleiertem Gesicht auf der Straße erwischen lässt. Auch in Ämtern und Behörden, in Krankenhäusern und Schulen, bei Gericht, auf der Post und natürlich im Zug sind Ganzkörperschleier untersagt.

Ein Verbot, das Driders Ehemann nicht versteht. "Diesem Gesetz nach dürfte meine Frau gar nicht mehr aus dem Haus gehen", sagt Allal Drider. "Sie trägt seit 13 Jahren einen Schleier, und es hat nie jemanden gestört." Wenige Stunden, nachdem er Kenza zum Zug brachte, bekommt es die Ehefrau in Paris mit der Polizei zu tun. Aber nicht etwa wegen ihres verschleierten Gesichts. Sondern weil sie an einer Protestkundgebung gegen das neue Gesetz teilgenommen hat. Und weil die Demonstration nicht angemeldet war. Mehrere Beamte nehmen vor der Kirche Notre Dame die Personalien der jungen Frau und einiger Mitstreiterinnen auf. Mehr passiert nicht.

 Vollverschleierung (hier ein Nikab) ist jetzt verboten. Foto: dpa

Vollverschleierung (hier ein Nikab) ist jetzt verboten. Foto: dpa

Der Organisator der Kundgebung versuchte derweil vor dem Elysée-Palast sein Glück. Mit einer verschleierten Freundin trieb der Unternehmer sich vor dem Sitz des Präsidenten herum. "Wir wollten uns eine Strafe für den Nikab verpassen lassen", sagt der 39-Jährige. Tatsächlich habe die Polizei sie beide auf die Wache mitgenommen. "Aber einen Strafzettel wollten sie uns nicht geben." Nekkaz will einen Fonds gründen und daraus die Strafzettel verschleierter Frauen zahlen. Zu diesem Zweck werde er eines seiner Häuser zur Versteigerung ins Internet stellen, kündigte der Unternehmer an. Das dürfte fürs Erste wohl reichen, zumal Schätzungen zufolge nur etwa 2000 Frauen in Frankreich die Burka oder den Nikab tragen. Und zumal die Polizei selbst nicht weiß, wie sie das Verbot durchsetzen soll. Denn viel mehr als ansprechen und "belehren" könnten die Beamten nicht, erklärt die Polizeigewerkschaft SCPN. Wenn eine Muslimin ihren Schleier nicht abnehmen wolle, sei die Polizei machtlos.

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