"Er schafft sich etwas Arbeit vom Hals"

Berlin. Für einen Moment schien es am Freitag so, als wollte sich Oskar Lafontaine aufs Altenteil zurückziehen. Dafür sorgte eine Eilmeldung der Nachrichtenagenturen, wonach der 66-Jährige nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zur Verfügung stehe. Seit vier Jahren teilen sich Lafontaine und Gregor Gysi diesen Posten. Doch alle politischen Nachrufe waren verfrüht

Berlin. Für einen Moment schien es am Freitag so, als wollte sich Oskar Lafontaine aufs Altenteil zurückziehen. Dafür sorgte eine Eilmeldung der Nachrichtenagenturen, wonach der 66-Jährige nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zur Verfügung stehe. Seit vier Jahren teilen sich Lafontaine und Gregor Gysi diesen Posten. Doch alle politischen Nachrufe waren verfrüht. Sein Bundestagsmandat will der Saarländer genauso behalten wie den Parteivorsitz. Das sichert ihm auch weiterhin den gewünschten Einfluss. Bereits seit Donnerstag gab es Spekulationen über Lafontaines möglichen Teilrückzug. Sie wurden auch durch den Chef der saarländischen Linken, Rolf Linsler, befeuert, der Lafontaines Verbleib im Landtag von Saarbrücken für den Fall angekündigt hatte, dass es zu einer rot-rot-grünen Landesregierung kommt. Das Zünglein an der Waage sind dort die Saar-Grünen, die darüber an diesem Sonntag auf einem Parteitag eine Entscheidung fällen wollen. Auf der Klausurtagung der Bundestags-Linken gestern im brandenburgischen Rheinsberg dementierte Lafontaine jedoch einen solchen Zusammenhang. Sein Entschluss, nicht mehr für die Fraktionsspitze im Bundestag zu kandidieren, begründete er mit parteiinternen Überlegungen. Sowohl für die Doppelspitze der Bundestagsfraktion als auch für die der Partei müssten künftig die Frauenquote und der Ost-West-Proporz Beachtung finden. Da im Saarland noch keine Entscheidung für ein Bündnis gefallen sei, könne er sich auch nicht zu seiner möglichen Rolle dort äußern. Anders als zuvor kolportiert will Lafontaine sein Bundestagsmandat behalten. Der Parteivorsitz steht für ihn ebenfalls nicht zur Disposition. Darauf wolle er sich jetzt "konzentrieren", verkündete Lafontaine. Beobachter schlossen daraus, dass der Saarländer weiter eine Schlüsselstellung bei den Linken einnehmen wird. Lafontaine schaffe sich nur etwas Arbeit vom Hals, aber sein Einfluss bleibe erhalten. "Das ist doch ganz ökonomisch für ihn", kommentierten Eingeweihte die Lage. Auch der ehemalige Europa-Abgeordnete und Vordenker der Linken, Andre Brie, sieht in Lafontaines Teilrückzug keine einschneidende Veränderung "Er wird Parteivorsitzender bleiben, so dass die für uns sehr produktive Doppelspitze mit dem gleichzeitigen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi fortgesetzt wird", sagte Brie unserer Zeitung. Auf der Klausurtagung der Linken wurde zunächst nur Gregor Gysi als Fraktionschef bestätigt. Er erhielt 94,7 Prozent der Stimmen und damit ein um drei Prozentpunkte besseres Ergebnis als beim letzten Mal. Der Zeitpunkt für die Wahl seiner Co-Vorsitzenden, die aus den alten Bundesländern stammen muss, steht noch nicht fest. Spätestens daran wird deutlich, dass Lafontaines Entscheidung mitnichten in den Fraktionsgremien abgestimmt war, sondern für die meisten völlig überraschend kam. Der Parteienforscher Peter Lösche ist davon überzeugt, dass sich durch Lafontaines Entschluss, den Fraktionsvorsitz abzugeben, das Verhältnis zwischen SPD und Linken schneller normalisieren wird als gedacht. "Das hilft bei Lockerungsübungen", sagte er unserer Zeitung. "Das bedeutet aber nicht, dass sich beide Parteien nun in die Arme fallen. Dazu muss sich die Linkspartei noch erheblich ändern."

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