Entscheidung zwischen Leben und Tod Patientenverfügung nun auf sicherer Grundlage

Berlin. "Ich wünsche mir einen menschenwürdigen Tod und bitte meine Ärzte, Angehörigen und Pfleger, mir dabei beizustehen" - mit solchen Sätzen kann in Zukunft festgelegt werden, wie ein Mensch nach einer schweren Erkrankung oder einem Unfall weiter behandelt werden will. Am 1. September tritt nach jahrelanger Diskussion das Patientenverfügungsgesetz in Kraft

Berlin. "Ich wünsche mir einen menschenwürdigen Tod und bitte meine Ärzte, Angehörigen und Pfleger, mir dabei beizustehen" - mit solchen Sätzen kann in Zukunft festgelegt werden, wie ein Mensch nach einer schweren Erkrankung oder einem Unfall weiter behandelt werden will. Am 1. September tritt nach jahrelanger Diskussion das Patientenverfügungsgesetz in Kraft. Damit sind die schriftlichen Verfügungen für Ärzte verpflichtend. Der Verfasser einer Patientenverfügung kann somit im Voraus über sein eigenes Leben oder den Tod entscheiden: Sind aus Sicht der Ärzte etwa lebensverlängernde Maßnahmen notwendig, müssen sie nun den Willen eines Patienten berücksichtigen - auch wenn dieser den Tod etwa einem langen Koma und der Hoffnung auf Genesung vorzieht.

Recht auf Selbstbestimmung

Mit der Regelung soll dem in der Verfassung festgeschriebenen Recht auf Selbstbestimmung entsprochen werden. Patientenverfügungen sollen Ärzten und Betreuern Hinweise für die medizinische Behandlung geben, wenn ein schwer erkrankter Patient sich nicht mehr selbst äußern kann. Beispielsweise können Menschen erklären, ob sie nach einem Unfall auch in Bewusstlosigkeit möglichst lange leben wollen oder wann gegebenenfalls die medizinischen Geräte abgestellt werden sollen. So können sie etwa Rettungsmaßnahmen nach einem Unfall untersagen, wenn schwere Hirnschäden oder dauerhafte Pflegebedürftigkeit drohen. Auch ein Nein zu künstlicher Ernährung oder Beatmung kann in dem Dokument festgehalten werden.

Die Deutsche Hospiz Stiftung rät, die abgelehnten Behandlungen und das Verfahren bei möglichen Krankheiten sehr genau zu beschreiben. Formulierungen wie "ich will nicht an Schläuchen hängen" seien für die Ärzte zu schwammig und könnten im Ernstfall zu Problemen bei der Auslegung und Befolgung der Patientenverfügung führen. Muster für Patientenverfügungen sind im Internet zu finden, etwa auf der Seite der Ärztekammer Hamburg. "Wichtig ist, dass eine Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht verbunden ist", erklärt die Chefin des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (DHPV), Birgit Weihrauch. Darin werde festgelegt, welcher Angehörige oder welche Person des Vertrauens als Bevollmächtigter dafür sorgen soll, dass dem in der Patientenverfügung festgehaltenen Willen des Erkrankten gefolgt wird. Denn Ehepartner oder andere Angehörige dürfen laut Gesetz nicht ohne eine vorherige Vollmacht für den Betroffenen entscheiden. Ärzte und die festgelegten Betreuer sollen den Willen des Kranken dann gemeinsam auslegen, nur im Streitfall entscheidet ein Gericht.

Ist keine Vorsorgevollmacht ausgefüllt worden, kann ein Gericht einen Betreuer bestellen. Meist sind dies nahe Angehörige, es gibt aber auch hauptamtliche "Berufsbetreuer". Wer eine Patientenverfügung verfasst, sollte diese in regelmäßigen Abständen überprüfen und je nach Willen oder Stand einer Erkrankung ändern, rät der DHPV. Denn die Verfügung soll immer und in jeder Krankheitsphase verbindlich sein. Eine Patientenverfügung ist also keine endgültige Entscheidung, sie kann jederzeit geändert oder auch ganz widerrufen werden. Bei Auslegung der Patientenverfügung soll auch ein "natürlicher Wille" als neue Äußerung gelten, etwa wenn ein demenzkranker Mensch nicht mehr sprechen kann, trotzdem aber Lebensfreude zeigt und so deutlich macht, dass er leben will.

Eine Missachtung der Patientenverfügung gilt als Körperverletzung. Verfügungen, die bei einer bestimmten Krankheit eine aktive Sterbehilfe verlangen, sind jedoch auch in Zukunft unwirksam. Was ist eine Patientenverfügung?

In diesen Dokumenten können Volljährige im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr äußern können. Dabei ist unter anderem an Fälle von Wachkoma, Demenz oder Alzheimer zu denken.

Gilt eine Patientenverfügung automatisch?

Zunächst sind nur schriftliche Verfügungen zu beachten, was im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstritten war. Das Dokument richtet sich nach dem Gesetz auch nicht unmittelbar an den Arzt, sondern an den Betreuer des Patienten. Der ist immer von Gesetzes wegen zu bestellen, wenn der Patient nicht geschäftsfähig ist. Der Betreuer prüft dann, "ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen", wie es heißt. Ist das der Fall, dann "hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen".

Welche Rolle hat der Arzt?

Stimmen Betreuer und Arzt in der Auslegung der Verfügung überein, kann im Extremfall eine Behandlung abgebrochen werden, selbst wenn dies den Tod des Patienten zur Folge hat. Der Mediziner ist aber auch eine Art Kontrollinstanz. Sieht er den Fall anders als der Betreuer, muss das Gericht entscheiden, falls Todesgefahr bei einem Behandlungsabbruch besteht.

Sollten die Verfügungen von Zeit zu Zeit erneuert werden?

Nach dem Gesetz haben die Verfügungen kein Verfallsdatum. Allerdings empfiehlt es sich, die Verfügung immer wieder zu erneuern. Denn je länger sie zurückliegt, desto eher wird es Zweifel geben, ob die Festlegungen eben auf die "aktuelle" Behandlungssituation wirklich zutreffen.

Was ist bei der Formulierung zu beachten?

In einer Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums heißt es: "Jedem Menschen, der eine Patientenverfügung erstellen möchte, sollte bewusst sein, dass vor der Niederlegung eigener Behandlungswünsche ein Prozess der persönlichen Auseinandersetzung mit Fragen steht, die sich im Zusammenhang mit Krankheit, Leiden und Tod stellen." Eine Beratung wird von allen Experten als empfehlenswert bezeichnet. So sollte eine Verfügung bei bestehender Krankheit nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt konkretisiert und in ihr auch näher auf Wünsche, Erwartungen und Behandlungsmöglichkeiten eingegangen werden. Die Verfügungen sollte danach möglichst konkret gefasst werden. Eine Formulierung wie "Ich will nicht qualvoll dahinvegetieren", hilft Betreuer und Arzt später kaum weiter.

Müssen alle Patienten eine Verfügung abgeben?

Nein. Ein Zwang sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor.

Bleiben alte Patientenverfügungen nach neuem Recht gültig?

Bislang haben bis zu neun Millionen Bürger solche Anordnungen abgegeben. Die alten Verfügungen bleiben wirksam. Es ist jedoch ratsam, die Formulierungen zu überprüfen, ob sie der jetzt erstmals präzisen Gesetzeslage entsprechen. dpa

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