Endstation Krankenhaus nach Ärztepfusch

Berlin · Durch Fehler im Krankenhaus sterben laut einer Studie fünf Mal so viele Menschen wie im Straßenverkehr. Das kann an schlechter Hygiene ebenso liegen wie an falschen Medikamenten oder mangelnder Spezialisierung.

 So extrem wie hier ist Ärztepfusch nicht immer: Im Brustraum des Patienten wurde OP-Besteck vergessen. Foto: Fotolia

So extrem wie hier ist Ärztepfusch nicht immer: Im Brustraum des Patienten wurde OP-Besteck vergessen. Foto: Fotolia

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Wer sich ins Krankenhaus begeben muss, der vertraut in aller Regel auf eine sichere Behandlung und darauf, schnell wieder gesund zu werden. Das gelingt auch in der übergroßen Mehrzahl der Fälle. Immerhin kommt es in Deutschland pro Jahr zu rund 19 Millionen stationären Behandlungen. Nach dem aktuellen Klinik-Report der Krankenversicherung AOK, der gestern in Berlin vorgestellt wurde, sind dabei aber auch die Risiken nicht zu unterschätzen. Etwa 190 000 Krankenhausaufenthalte sind mit Fehlern behaftet, die aus medizinischer Unachtsamkeit und mangelnder Erfahrung resultieren.

"Wenn ein Patient, der eine Medikamentenallergie erleidet, von dieser Allergie wusste, man den Patienten aber nicht nach Medikamentenallergien befragt hat, dann wäre das so ein vermeidbarer Fehler", erläutert der Gesundheitsforscher und Mitautor des Reports, Max Geraedts. Im schlimmsten Szenario kann ein solcher Fehler tödlich enden. Geraedts spricht von etwa 19 000 Sterbefällen jährlich. Das sind fünf Mal so viele wie im Straßenverkehr. Die Angaben basieren zwar auf einer Schätzung, die das Aktionsbündnis Patientensicherheit schon vor mehr als sieben Jahren genannt hatte. Geraedts hält sie aber immer noch für gültig und eher "konservativ" geschätzt.

Neben falschen Medikamenten oder Fehlern bei der Dosierung ist besonders mangelnde Hygiene für unerwünschte Komplikationen verantwortlich. Laut Klinik-Report leiden etwa vier Prozent der Klinikpatienten unter vermeidbaren Infektionen. So banal es klingt, aber oft ist dafür eine nachlässige Desinfektion der Hände von Ärzten, Schwestern und Pflegern ursächlich. Unnötige Risiken entstünden jedoch auch durch eine mangelnde Spezialisierung und Arbeitsteilung der Kliniken, wie AOK-Vorstand Uwe Deh berichtet. In der Studie wurden dazu die Hüftgelenkimplantationen unter die Lupe genommen. In manchen Kliniken werden pro Jahr nicht einmal 50 entsprechende Eingriffe vorgenommen. In anderen sind es locker über 1000. Am Ende stellte sich heraus, dass das Risiko einer unerwünschten Folgeoperation binnen Jahresfrist in den Kliniken mit den wenigsten Eingriffen um 37 Prozent höher lag als in denen, die Hüftgelenke gewissermaßen am Fließband einsetzen.

Bei der Versorgung von Frühgeborenen kommt der Report zu einem ähnlichen Schluss. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass Babys mit einem Gewicht von weniger als 1250 Gramm sterben, in Kliniken mit weniger als 15 Frühchen pro Jahr sogar um 87 Prozent höher als in Krankenhäusern mit mehr als 45 solcher Fälle. "Vieles spricht also dafür, dass mit steigender Erfahrung und Routine bessere Ergebnisse erzielt werden", erläutert der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Jürgen Klauber. Deshalb sei Spezialisierung das Gebot der Stunde.

Tatsache ist freilich auch, dass immer mehr Kliniken ums Überleben kämpfen und es deshalb auch immer wieder zu unnötigen Operationen kommt, um die Betriebskosten zu decken. Zugleich werden ihnen Investitionen durch die dafür zuständigen Länder gekürzt - mit der Folge, dass Krankenhäuser eigentlich zur Behandlung der Patienten gedachte Mittel für Sanierungsmaßnahmen oder die Beschaffung neuer Technik verwenden. Nötig sei deshalb eine intelligentere Krankenhausplanung, die sich am Bedarf der Patienten orientiere, hieß es bei der AOK.

Derweil warnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft gestern vor allzu großer Panikmache: Die Sicherheitsstandards in den Kliniken seien noch nie so hoch gewesen wie jetzt und könnten sich im internationalen Vergleich sehen lassen, meinte ihr Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die neue Bundesregierung plant die Einrichtung eines "Qualitätsinstituts", um die stationäre Versorgung zu verbessern. Ein ursprünglich geplanter und von den Krankenkassen geforderter Strukturfonds, aus dem der Umbau der Krankenhauslandschaft finanziert werden sollte, war in den Koalitionsverhandlungen aus Kostengründen gestrichen worden.

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