Ende einer Karriere
Meinung · Die Vergewaltigungs-Affäre um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Weder für die französischen Sozialisten, als deren aussichtsreichster Kandidat er für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr galt, noch für den Internationalen Währungsfonds selber
Die Vergewaltigungs-Affäre um IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Weder für die französischen Sozialisten, als deren aussichtsreichster Kandidat er für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr galt, noch für den Internationalen Währungsfonds selber. Strauss-Kahns Partei befand sich gestern noch immer im Schockzustand - fassungslos angesichts der Vorwürfe, die die amerikanische Justiz gegen den 62-jährigen Wirtschaftsprofessor erhoben hat. Sie muss nun so schnell wie möglich zur Normalität zurückfinden und Einigkeit demonstrieren. Ansonsten droht die Gefahr, dass sie sich wie nach den letzten Wahlen durch interne Streitigkeiten selber lähmt. Doch es erscheint unwahrscheinlich, dass die Sozialisten einen anderen Kandidaten finden werden, der ähnlich wie Strauss-Kahn auf die Zustimmung breiter Wählerschichten hoffen kann. Der IWF-Chef steht für eine sozialdemokratische Strömung in Frankreich, mit der sich auch jene Bürger anfreunden können, die vom unsteten konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy enttäuscht sind. Dagegen stehen François Hollande und Sozialisten-Chefin Martine Aubry für die traditionellen Werte der Sozialisten und sind damit vielen Franzosen einfach zu links.Der Ausgang der Wahlen in Frankreich erscheint seit diesem Sonntag offener denn je. Präsident Nicolas Sarkozy dürfte gestärkt aus der Affäre seines bislang schärfsten Konkurrenten hervorgehen, genau wie Front National-Chefin Marine Le Pen und Zentrumspolitiker Jean-Louis Borloo. Dass Strauss-Kahn noch bei der parteiinternen Wahl antreten wird, mit der die Sozialisten im Oktober ihren Kandidaten bestimmen wollen, erscheint heute sehr unwahrscheinlich - selbst wenn sich der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung als haltlos erweisen sollte. Denn es wird etwas von den Vorwürfen hängen bleiben - und seien es nur die Bilder, die einen Strauss-Kahn zeigen, der wie ein Terrorist oder Mafiosi in Handschellen von der New Yorker Polizei abgeführt wird. Schon mit Rücksicht auf die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich und auf die Unschuldsvermutung hätte die US-Justiz solche Fotos verhindern müssen.
Auch als Chef des IWF ist Strauss-Kahn nach der spektakulären Festnahme nicht mehr tragbar. Die Institution verliert damit ausgerechnet jetzt, wo sich die Schuldenkrise in Europa immer mehr zuspitzt, einen souveränen und intelligenten Chef. Ob nun ein Europäer auf Strauss-Kahn folgen wird, wie es Deutschland wünscht, ist aber fraglich. Schwellenländer wie China, Brasilien, Indien und Mexiko drängen bereits seit Monaten auf mehr Einfluss. Damit dürfte auch Europas Rolle beim IWF geschwächt werden.