Empörung über türkische Spione

Berlin · Die Bundesanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass der türkische Geheimdienst MIT in großem Stil Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert hat.

 Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan bei einer Demonstration im Sommer vergangenen Jahres in Köln. Offensichtlich lässt er seine Gegner in Deutschland ausspionieren. Foto: Berg/dpa

Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan bei einer Demonstration im Sommer vergangenen Jahres in Köln. Offensichtlich lässt er seine Gegner in Deutschland ausspionieren. Foto: Berg/dpa

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Die Auseinandersetzungen mit der Türkei gehen in die nächste Runde: Wegen des Verdachts der Spionage in Deutschland ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen den türkischen Geheimdienst MIT. Hintergrund sind Hinweise, dass türkische Agenten in großem Umfang angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert haben. Den Prediger Fethullah Gülen macht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte gestern, die Untersuchungen ihrer Behörde richteten sich gegen unbekannte MIT-Angehörige. Es gehe dabei um den Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit.

Die Aufregung darüber war gestern groß. Einige Politiker nehmen jetzt kein Blatt mehr vor den Mund. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kritisierte Ankara scharf: "Es kann nicht sein, dass diejenigen, die der Türkei irgendwie missliebig sind, Sorge haben müssen, in die Türkei zu fahren." Spionageaktivitäten auf deutschem Boden seien strafbar und würden nicht geduldet. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen forderte, die Bundesregierung müsse "das Spitzelnetzwerk Erdogans" zerschlagen. Der türkische Präsident habe Deutschland und Europa zu seiner Kampfzone "für die Diktatur in der Türkei gemacht". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter betonte, jetzt zeige sich, welch hohen Preis die Regierung zahle, "wenn sie nicht zu den eigenen Werten steht". CDU-Innenexperte Armin Schuster nannte den Vorgang "einen schwerwiegenden diplomatischen Störfall". Sollte es möglich sein, die daran beteiligten MIT-Mitarbeiter zu identifizieren, müssten diese ausgewiesen werden.

Derweil gehen immer mehr Politiker hart mit Erdogan ins Gericht - anders als die Bundesregierung. Bei einer Veranstaltung der Linksfraktion bezeichnete Fraktionschefin Sahra Wagenknecht den türkischen Präsidenten sogar als "Terroristen". Dabei bezog sie sich auf einen Satz, den Erdogan vor wenigen Tagen in Ankara gesagt hatte: "Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können." Das sei ein "Aufruf zum Terrorismus", so Wagenknecht. Auf derselben Veranstaltung kritisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) das Vorgehen der türkischen Regierung, wie schon vor einer Woche im Bundestag. Nach dem gescheiterten Militärputsch verfolge Erdogan nun die "systematische Aushebelung" des politischen Systems und putsche damit gegen die eigene Verfassungsordnung. "Dieser zweite Putschversuch droht erfolgreich zu sein", erklärte Lammert. Die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Michelle Müntefering (SPD), warnte indes vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts, auch verbal. Das sei "nicht hilfreich", so Müntefering auf Nachfrage. Erdogan sei allerdings auf einem "Kurs der Autokratie, von dem ich fürchte, dass er weitergehen wird".

Offenbar in der Hoffnung auf Unterstützung hatte der Geheimdienst MIT dem Bundesnachrichtendienst am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar eine Liste mit mehr als 300 Namen überreicht. Stattdessen warnten deutsche Sicherheitsbehörden die Betroffenen.

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