Einzelgänger oder doch ein IS-Anhänger?

War der Attentäter von Nizza ein Anhänger des Islamischen Staates? Diese Frage steht im Raum, seit die Dschihadistenmiliz den Anschlag mit mindestens 84 Toten am Wochenende für sich beansprucht hat, ohne dafür allerdings Belege zu liefern. Nachbarn und Familienmitglieder beschreiben den 31-jährigen Mohamed Lahouaiej-Bouhlel als Einzelgänger, der nicht als Islamist aufgefallen sei. Dafür allerdings durch psychische Probleme und Hang zur Gewalt .

 Die Promenade des Anglais in Nizza wurde nach dem Anschlag zur Trauermeile.Foto: dpa

Die Promenade des Anglais in Nizza wurde nach dem Anschlag zur Trauermeile.Foto: dpa

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Innenminister Bernard Cazeneuve nannte den Tunesier, der nach seiner Amokfahrt mit einem Lastwagen von der Polizei erschossen wurde, als Beispiel für "Einzelpersonen, die empfänglich für die Botschaften des IS sind und äußerst gewaltsame Taten begehen, ohne notwendigerweise an Kämpfen teilgenommen zu haben oder ausgebildet worden zu sein".

In jedem Fall hat Lahouaiej-Bouhlel den Anschlag mit 84 Toten nach Erkenntnissen der Ermittler gezielt vorbereitet. Die Ermittler befragten am Wochenende zahlreiche Zeugen und werteten Material aus, das in der Wohnung von Lahouaiej-Bouhlel gefunden wurde. Dabei stellten sie fest, dass der Tunesier schon am 12. und 13. Juli die Strandpromenade von Nizza mit dem gemieteten 19-Tonner abfuhr, mit dem er dann am Nationalfeiertag in die feiernde Menge raste. Die ersten Vernehmungen sollen darauf hindeuten, dass er sich recht kurz vor der Tat dem radikalen Islam zuwandte. Er habe aufgehört, Alkohol zu trinken, berichtete die Zeitung "Le Parisien". Die Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" berichtet, er habe kurz vor der Tat sein Konto aufgelöst und 100 000 Euro an seine Familie in Tunesien geschickt. Der 31-Jährige habe Freunde überredet, die Geldbündel nach Nordafrika zu bringen, berichtete sein Bruder der britischen Boulevardzeitung "Daily Mail".

Aktuell geht die Polizei davon aus, dass der Attentäter Helfer hatte: Die Polizei gab zwei weitere Festnahmen bekannt. Zwei albanischen Staatsbürgern sowie einem weiteren Mann aus dem Umfeld des Täters wird vorgeworfen, dem Täter geholfen zu haben. Die Albaner sollem ihm mit "logistischer Unterstützung" geholfen haben. Insgesamt waren am Sonntag sechs Menschen in Polizeigewahrsam. Die Frau des Tunesiers, von der er getrennt lebte, wurde nach Vernehmungen wieder freigelassen.

Lahouaiej-Bouhlel hat kurz vor seinem Anschlag mit dem Lastwagen noch eine SMS-Nachricht abgesetzt, in der er laut französischen Ermittlerkreisen eine Waffenlieferung erwähnte. In der SMS habe er seine Genugtuung darüber zum Ausdruck gebracht, dass er ein Pistole vom Kaliber 7.65 habe, hieß es in mit dem Fall vertrauten Kreisen. Auch habe er "die Lieferung weiterer Waffen" erwähnt. Der Tunesier habe von sich auch "ein Foto am Steuer des Lastwagens aufgenommen", bevor er es per SMS verschickte. Die Ermittler versuchten nun, "alle Empfänger" der Mitteilungen zu identifizieren.

In Frankreich hatte am Samstag eine dreitägige Staatstrauer begonnen. Heute Nachmittag soll es eine Schweigeminute geben. Danach werde die Promenade des Anglais wiederfür den Verkehr geöffnet, teilte die Stadt Nizza am Wochenende mit.

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Von einer Lehrerin und zwei Schülern der Berliner Paula-Fürst-Gemeinschaftsschule gibt es kein Lebenszeichen. Sie waren mit ihrer 12. Klasse auf Kursfahrt in Nizza. "Mit dieser Ungewissheit müssen wir jetzt umgehen", hieß es auf der Internetseite der Schule. Die übrigen Schüler der Kursfahrt seien am Freitagabend zurückgekehrt und von ihren Eltern in Empfang genommen worden, teilte die Schule mit. "Dort bekamen sie unmittelbar die Möglichkeit psychologischer Unterstützung." Auch für die anderen Schüler ist eine Betreuung geplant. dpa

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