Einmal wie Jesus leben und leiden

Die Tochter von Jesus hat es sich auf dem Schoß ihres Vaters gemütlich gemacht. Die fünfjährige Lucy trägt ein wallendes violettes Gewand und nuckelt durch einen Strohhalm genüsslich an einer Flasche Wasser. Papa Jesus wirkt entspannt, ruhig

 Eine Szene aus der Probe zum Bubacher Passionsspiel: Jesus (Thomas Muno) trägt sein Kreuz zum Hügel Golgota. Fotos: Oliver Dietze

Eine Szene aus der Probe zum Bubacher Passionsspiel: Jesus (Thomas Muno) trägt sein Kreuz zum Hügel Golgota. Fotos: Oliver Dietze

Die Tochter von Jesus hat es sich auf dem Schoß ihres Vaters gemütlich gemacht. Die fünfjährige Lucy trägt ein wallendes violettes Gewand und nuckelt durch einen Strohhalm genüsslich an einer Flasche Wasser. Papa Jesus wirkt entspannt, ruhig. Im Kopf geht er durch, was ihn in den kommenden Stunden erwartet: Freundschaft, Anerkennung, Verehrung, Intrige, Verrat, Angst, der Tod am Kreuz - und am Ende die Auferstehung."Am Kreuz zu hängen, ist eigentlich ziemlich gemütlich. Bis man tot ist. Dann muss man sich hängen lassen und etwa zehn Minuten mit angewinkelten Beinen stehen", sagt Jesus, der im wahren Leben Thomas Muno heißt. Der 45-jährige IT-Manager ist einer von rund 100 Amateurschauspielern des Theatervereins Bubach, der kurz vor Ostern die Passion Christi in der Hirschberghalle in Eppelborn-Bubach aufführt. Zum sechsten Mal seit 1993 wollen die Bubacher das Leiden Christi für das Publikum erlebbar machen.

Es ist die 45. Probe seit September, eine der letzten vor dem ersten großen Auftritt am kommenden Freitag. Noch nicht alles ist perfekt. Während im Vorraum der Mehrzweckhalle Küchenmonteure, Sterilisationsassistentinnen, Maschinenschlosser und Studenten zu Jüngern, römischen Soldaten, Mägden oder Priestern werden, verlegen Techniker vor der Bühne letzte Kabel. Auf einem Tisch stapeln sich Akkuschrauber, Teppichmesser, Draht und Klebeband. Doch die Kulisse des Passionsspiels steht schon. Mit Liebe zum Detail wurde in der Hirschberghalle ein Teil der Jerusalemer Altstadt nachgebaut. Der Tempel, das Haus des Hohepriesters Kaiphas, der Palast des Pontius Pilatus.

Immer mehr Darsteller in Kostümen sammeln sich vor der Bühne. Sie begrüßen sich herzlich, jeder kennt jeden. Einige sind schon seit Jahrzehnten im Theaterverein, für andere ist es die erste Passion. Der Blick der Schauspieler geht immer wieder auf einen Mann in einem schwarz-weiß karierten Hemd. Mit einem Klemmbrett in der Hand marschiert er energisch über die Bühne. Ein lauter Pfiff, sofort herrscht Ruhe.

"Ich will nicht, dass ihr Rollen spielt", ruft der Mann in Schwarz-Weiß, Spielleiter Christoph Morbe, seinem Team zu. "Wir wollen keine Rollen spielen, wir wollen Charaktere darstellen. Wut, Hass, Liebe, diese Emotionen müsst ihr bündeln. Wenn wir das schaffen, dann wird unsere Passion für das Publikum zum Erlebnis." Zehn Minuten lang motiviert Morbe seine Darsteller, während Hockeybälle an die dünne Trennwand zur nahen Sporthalle schlagen. Noch wird dort gespielt, am Freitag aber soll von dort aus das Publikum das Passionsspiel bestaunen. "Wir bauen in der Turnhalle einen richtigen Zuschauerraum auf", erklärt ein Techniker, "mit einer Schräge, fast wie im Kino, damit jeder alles sieht."

Das Licht geht aus, die Probe beginnt. Musik ertönt. Noch kommt sie vom Band, bei den Vorstellungen wird der rund 40- köpfige Vokalkreis Wiesbach singen. Das Passionsspiel beginnt mit einem Sprech-Chor, 20 Frauen in roten Gewändern und mit grauem Kopftuch, die in die Rahmenhandlung des Geschehens einführen. Dann folgen die Stationen der Passion Christi. Die Amateurdarsteller legen sich mächtig ins Zeug. Vor allem die Jesus-Darstellung ist sehr komplex. Thomas Muno, der sich in der Rolle mit Florian Eckert abwechselt, balanciert ständig zwischen dem Menschen Christus und dem Gottessohn. Er verkörpert sowohl Angst und Schwäche als auch Wärme und göttlichen Glanz. Zugute kommt Muno und Eckert, dass sie aussehen, wie man sich einen Jesus nunmal vorstellt: dunkler Bart, lange dunkelbraune Haare. "Ich spiele Theater, seit ich elf Jahre alt bin", erzählt Muno, "die Rolle des Jesus reizt mich sehr, es ist immer eine Herausforderung. Jesus ist die Figur, von der das Publikum die höchsten Erwartungen und jeder eine feste Vorstellung hat."

Jesus direkter Gegenspieler ist der Hohepriester Hannas, der gegen den Messias intrigiert, ihn am Ende hinrichten lassen will. Finster kommt der Priester daher, dunkler Bart, verkniffenes Gesicht. In einem edlen blauen Gewand hält er geifernd Anklage gegen Christus. Verkörpert wird der Bösewicht vom 21-jährigen Tobias Groß. Der Student der Wirtschaftsinformatik spielt den Hannas mit so viel Inbrunst, mit so viel Zorn, mit Hass in der Stimme, dass man ihm im wahren Leben nicht in einer dunklen Ecke begegnen möchte. "Normalerweise bin ich ganz nett", sagt Groß lachend, "aber der Reiz an der Rolle ist, dass man mal etwas ganz anderes spielen kann. Mir gefällt die Rolle des Bösen." Vor vier Jahren war Groß, der seit 1995 in der Bubacher Jugendgruppe Theater spielt, das erste Mal bei der Passion dabei. Damals noch als Darsteller im Volk. "Es gibt nichts Besseres, um sich auf Ostern einzustellen als unsere Passionsspiele", ist der 21-Jährige überzeugt.

Als sich Jesus und seine Jünger im Garten Getsemani zum Beten niederlassen, ertönt ein lautes "Stopp". Regisseur Morbe unterbricht das Spiel. "Unser römischer Hauptmann ist gerade angekommen, er stand in Wiesbaden im Stau. Aber jetzt brauchen wir ihn gleich", erklärt er. Morbe ist während der Proben überall. Nichts, keine Kleinigkeit, entgeht ihm. Unruhig wandert er vor der Bühne umher, wedelt mit den Armen, schnippt mit den Fingern, feuert an, kritisiert, lobt, gibt immer wieder Anweisungen. "Auftritt lauter", ruft er, während ihm ein römischer Soldat eine Thermoskanne Kaffee zu seinem Tisch bringt. Morbe rührt den Kaffee während der kompletten Probe nicht an, er ist viel zu sehr auf das Geschehen auf der Bühne konzentriert.

"Ich bin Perfektionist, halbe Sachen mache ich nicht gerne", erzählt der 51 Jahre alte Informationstechniker nach der Probe, "ich habe eine klare Vision, wie das Passionsspiel nachher aussehen muss." Entspannt lehnt er sich gegen eine Zapfanlage in der Hallenküche. "Manchmal bin ich vielleicht etwas zu streng, ich vergesse dann, dass die Darsteller häufig direkt von der Arbeit kommen und schon acht Stunden gearbeitet haben." Nachdenklich trinkt er einen Schluck Wasser. "Wir sind jetzt schon seit rund sieben Monaten am Proben, wir planen seit April und das Team ist immer noch hoch motiviert und mit Herzblut dabei. Und das werden die Zuschauer bei der Aufführung auch merken."

Nach über zwei Stunden Probe ist die Stimmung bei den Darstellern immer noch ausgezeichnet. Die Motivation ist groß, die Rollen perfekt eingeübt. Texthänger gibt es so gut wie keine mehr. Jesus, Judas und Hannas tauschen ihre Roben gegen Jeans und Pullover. Ein Kasten Bier wandert in die Mitte - man lässt den anstrengenden Abend gemütlich, gut saarländisch ausklingen.

Auf einen Blick

 Perfektionist mit klarer Vision: Spielleiter Christoph Morbe (links) gibt Akteur Peter Buchheit in der Rolle des Kaiphas letzte Anweisungen.

Perfektionist mit klarer Vision: Spielleiter Christoph Morbe (links) gibt Akteur Peter Buchheit in der Rolle des Kaiphas letzte Anweisungen.

Die Passionsspiele finden am 23., 24., 25., 30. und 31. März sowie am 1., 5., 6., und 7. April statt. Los geht es jeweils um 20 Uhr, am 7. April um 19 Uhr. Spielort ist die Hirschberghalle in Eppelborn-Bubach. Karten (sechs und 14 Euro) gibt es ausschließlich im Vorverkauf im Internet unter www.passionsspiele-bubach.de oder in der St. Laurentius Apotheke, Illtalstraße 58, in Bubach. Informationen zur Aufführung unter Tel. (01 70) 1 70 14 66. Auf der Webseite des Theatervereins kann man die noch freien Plätze einsehen. fre

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