Einmal quer durch Europa zum 18. Geburtstag

Es könnte die EU zwar jährlich über eine Milliarde Euro kosten, dennoch finden immer mehr Parlamentarier in Brüssel die Idee gut: Ein Interrail-Zugticket für jeden jungen Europäer, frei Haus von der Europäischen Union geliefert – als Geschenk zum 18. Geburtstag .

Die Idee hat was: Pünktlich zum 18. Geburtstag findet jeder europäische Jugendliche einen Umschlag in seinem Briefkasten. Absender: Europäische Union, Brüssel. Inhalt: eine Interrail-Freifahrkarte für 30 Tage quer durch alle europäischen Länder. Geschenkt. Was sich bisher noch wie ein unglaublicher Vorschlag aus dem Mund von EU-Politikern anhört, zieht tatsächlich in Brüssel Kreise. "Europa besteht nicht nur aus kalter Politik-Technik. Es geht auch darum, die Menschen zusammen zu bringen", meinte der Chef der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU ). Er hat die Anregung vor zwei Wochen aus dem Hut gezaubert.

Doch inzwischen diskutieren die EU-Institutionen ernsthaft über Möglichkeiten, wie man jungen Leuten Europa näherbringen kann. Am späten Dienstagabend schaffte es der Vorschlag bereits auf die Tagesordnung der EU-Volksvertretung. "Was mit dem Studenten-Austausch-Programm Erasmus begonnen hat, sollte mit dem Interrail-Programm für alle Jugendlichen fortgesetzt werden", lobte Webers sozialdemokratischer Abgeordnetenkollege Jo Leinen. Verkehrskommissarin Violeta Bluc ließ sich ebenfalls von dem Vorschlag anstecken und gab bereits eine erste Prüfung in Auftrag, wie man so ein Geschenk denn konkret gestalten könnte.

Zu den Anfangsproblemen gehört beispielsweise die Tatsache, dass Interrail-Tickets derzeit zwar für 30 Länder gelten, aber nicht alle Bahngesellschaften in jedem EU-Staat mitmachen. Also überlegt man in der Brüsseler Kommission, ob es statt des Interrail-Tickets nicht auch eine Art "Mobilitäts-Gutschein" sein könnte, der Billigflieger und Car-Sharing-Anbieter umfasst.

Ein weiteres Problem ist die Kostenfrage. Auch sie ist längst nicht geklärt. Derzeit schlägt ein Interrail-Fahrschein für junge Europäer unter 25 Jahren mit 479 Euro für einen Reisemonat zu Buche. Dafür können dann aber allein in Deutschland vom ICE-Sprinter und Thalys-Schnellzug bis zur S-Bahn alle Züge genutzt werden. Sollten nur 50 bis 70 Prozent der 5,4 Millionen Jugendlichen, die im vergangenen Jahr volljährig geworden sind, das Präsent der EU nutzen, kämen Kosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zusammen.

Bisher schreckt das Geld niemanden ab. Aus dem Verkehrs-, Transport- oder Sonderetat für Austauschprogramme könne man diese Beträge entnehmen, hieß es im Parlament. Für den Fall, dass die Idee aber doch mehr Begeisterung auslöst, will die Kommissarin auch über eine Lotterie nachdenken, bei der eine größere Zahl von Reise-Bons verteilt werden. "Viele junge Europäer kennen keine anderen Länder", sagte Ideen-Geber Weber gestern. "Oder sie haben keinen Kontakt mit Menschen aus anderen Ländern. Das möchten wir ändern. Wir wünschen uns, dass so viele Jugendliche wie möglich die Vielfalt und Schönheit Europas entdecken, andere Länder kennenlernen und neue Freundschaften schließen." Es gehe um eine "Investition in unsere Jugend und die Zukunft Europas".

Kommissarin Bulc denkt aber noch weiter. Für sie gehört die Interrail-Idee in ein Gesamtpaket, das weitere Wohltaten für junge Europäer enthält. So können junge Menschen, die sich gemeinnützig engagieren, ebenfalls einen Mobilitätsgutschein als Anerkennung für ihre Arbeit erhalten. Weiterer Bestandteil ist die Jugendgarantie - ein mit acht Milliarden Euro ausgestattetes Förderprogramm, das jedem jungen Menschen unter 25 Jahren eine Ausbildungsmöglichkeit sichern soll. Die "grandiose Interrail-Idee" (Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried) überstrahlt allerdings gerade alle anderen Themen.

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