Einmal Harmonie-Soße auf das Rentenpaket

Berlin · Auf dem Weg zum Rentenpaket hat auch die Union kurz vor der Ziellinie zu weitgehender Geschlossenheit gefunden. Die SPD-Fraktion steht sogar einmütig dazu. Das teuerste Projekt der Koalition wird somit wohl beschlossen.

Nach dem Kompromiss zum Rentenpaket rechnen die Spitzen der großen Koalition mit einer breiten Unterstützung für das Gesetz bei der Schlussabstimmung an diesem Freitag im Bundestag. Bei einer Probeabstimmung in der Unionsfraktion kam es gestern nach Angaben von Teilnehmern zu lediglich 14 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. Die Fraktion verfügt über insgesamt 311 Mitglieder. Von den erklärten Gegnern vor allem beim Wirtschaftflügel der Union soll sich niemand zu Wort gemeldet haben. "So sieht der Aufstand der Kritiker aus", lästerten CDU-Sozialpolitiker. Unionsfraktions chef Volker Kauder redete den Seinen dennoch noch einmal ins Gewissen. Er rechne mit einer "breiten Zustimmung" für das Rentenpaket im Unionslager, sagte Kauder. Bereits am Vortag hatte der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, auf die quasi in letzter Minute verabredeten Erleichterungen für eine Weiterbeschäftigung von Älteren über das Erreichen des regulären Rentenalters hinaus verwiesen. Dies sei ein "gewichtiges Pfund", das ihm die Zustimmung erleichtere, meinte Linnemann. Der CDU-Politiker gehört aus Sorge um eine "Frühverrentungswelle" eigentlich zu den erbitterten Gegnern der abschlagsfreien Rente mit 63, die die Sozialdemokraten ins Rentengesetz gepackt hatten. Jedoch sollen nun Zeiten des Arbeitslosengeld-Bezuges grundsätzlich nur noch bis zwei Jahre vor dem Renteneintritt mitzählen. So hatten es die Koalitionsspitzen am Montag vereinbart, um zu verhindern, dass sich viele Ältere schon mit 61 Jahren aus dem Arbeitsleben verabschieden.

Eine solche Frühverrentungswelle war von Arbeitsministerin Andrea Nahles zwar stets als Panikmache charakterisiert worden. Doch angesichts des Kompromisses zeigte sich die SPD-Politikerin gestern ebenfalls milde gestimmt. "Das Paket ist durch" und obendrein "solide finanziert", sagte sie. Dass dies nahezu ausschließlich zu Lasten der Beitragszahler geht, ließ Nahles freilich unerwähnt. Um die Mehrkosten des Rentenpakets von schätzungsweise knapp zehn Milliarden Euro jährlich zu schultern, wurde die eigentlich fällige Beitragssenkung zu Jahresbeginn gestrichen. Außerdem steigt der Beitrag künftig stärker als nach der bisherigen Planung erwartet. Für das Jahr 2019 zum Beispiel waren ursprünglich 19,1 Prozent prognostiziert. Durch das Rentenpaket erhöht sich der Satz auf 19,7 Prozent.

"Diese große Koalition gönnt sich den teuersten Koalitionsfrieden aller Zeiten. Sie hat sich eine Flasche Harmonie-Soße gekauft", kritisierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Auch die Wirtschaft haderte mit den Kosten: "Hier wird mit vollen Händen das Geld ausgegeben, was Wirtschaft und Beschäftigte erwirtschaftet und in die Rentenkasse eingezahlt haben", meinte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Fest steht indes, dass bei der Schlussabstimmung nach der dritten Lesung des Gesetzes am Freitag im Bundestag über das Rentenpaket als Ganzes abgestimmt wird. Darauf haben sich die Koalitionsspitzen verständigt. Teile der Unionsfraktion hatten getrennte Voten verlangt. Dadurch wäre es möglich, etwa den von der Union gewünschten Verbesserungen für Mütter und Erwerbsgeminderte zuzustimmen, der Rente mit 63 aber nicht.

Allerdings ist es zulässig, eine derart getrennte Abstimmung im Zuge der unmittelbar zuvor stattfindenden zweiten Lesung abzuhalten. Werde das von Abgeordneten verlangt, dann werde man das "auch akzeptieren", meinte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gönnerhaft in Richtung Union. Bei einem Probe-Votum in seiner Fraktion gab es gestern keine einzige "Nein"-Stimme.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort