Eine Zeltstadt für Flüchtlinge im Ruhrgebiet

Duisburg · Die Kriege und Krisen in der Welt sorgen wieder für mehr Asylbewerber in Deutschland. Manche Kommunen sind darauf schlecht vorbereitet und suchen nach Notlösungen – auch Duisburg.

Dicht an dicht stehen die weißen Gerüst-Zelte nebeneinander. Darin das, was der Katastrophenschutz-Mitarbeiter Reginald Berndt vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) die Standardausstattung nennt: Acht kunststoffbespannte Betten mit Schlafsäcken, zwei Tische, acht Stühle. Dies ist kein Flüchtlingscamp am Rande eines Krisenherdes der Welt, etwa im Irak. Dies ist eine Unterbringungsnotlösung für Asylbewerber auf einem Sportplatz in Duisburg .

Maximal acht Flüchtlinge pro 30-Quadratmeter-Zelt sollen hier vorrübergehend unterkommen - Familien aus Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan, Tschetschenien, dem Irak, aber auch aus den Balkanstaaten. Das Rote Kreuz koordiniert die Kinderbetreuung, Container mit Duschen und Toiletten sowie ein Medizinzelt wurden aufgebaut, warme Mahlzeiten gibt es im Verpflegungszelt.

"Inakzeptabel und für die Stadt Duisburg beschämend", kritisiert der Flüchtlingsrat NRW die Notlösung. Auch Grünen-Parteichefin Simone Peter ist empört: "Traumatisierte Flüchtlinge in Zeltstädten unterzubringen ist unwürdig", sagte die Saarländerin der Zeitung "Die Welt". Sie fordert nun ein Gipfeltreffen von Bund, Ländern und Kommunen, um die Unterbringung zu koordinieren. Aus Sicht der Stadt Duisburg gibt es jedoch zur Zeit keine Alternative zur Zeltstadt.

"Das, was sie hier sehen, darauf bin ich wirklich nicht stolz", sagt Sozialdezernent Reinhold Spaniel. Bestehende Heime seien jetzt schon voll. Mehr als 1500 Asylbewerber leben bereits in Duisburg , und es sollen - wie überall in Deutschland - in den nächsten Monaten mehr werden. "Es kann sein, dass Sie morgens einen Anruf kriegen, dass abends ein Bus mit Asylbewerbern ankommt", schildert Spaniel die Situation. Leerstehende Wohnungen, die es in Duisburg in großer Anzahl gibt, würden schon jetzt genutzt. Problem: Der Betreuungsaufwand sei hoch, und zögen dort Menschen aus einem anderen Kulturkreis ein, könne das das Wohnumfeld überfordern, ergänzt Stadtsprecherin Anja Kopka.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl spricht von Versäumnissen in der Vergangenheit in vielen Regionen Deutschlands. Mitte 2000 ging die Zahlen derer, die in Deutschland Asyl suchten, zurück. "Überall haben die Haushälter gesagt, leere Plätze finanzieren wir nicht. Das rächt sich nun", sagt Bernd Mesovic, Vize-Geschäftsführer von Pro Asyl. So auch in Duisburg , räumt Spaniel ein. "Die Stadt Duisburg mit ihren Haushaltsproblemen hat sich entschieden, die bestehenden Unterkünfte nicht aufrecht zu erhalten."

"Wir wollen, dass sich die Menschen wohlfühlen, so gut es geht", sagt die Projektleiterin Tanja Schott. So gibt es Heizungen für die Zelte, der Ascheboden soll noch mit Kunststoff ausgelegt werden - eben doch besser als in einem Krisengebiet, betonen die Helfer von DRK.

Sachsen plant derweil die Unterbringung von Flüchtlingen in Containern. Sie sollen als Zwischenlösung dienen, bis zwei andere Einrichtungen fertig seien, heißt es. D ie Zahl der Asylanträge steigt dieses Jahr nach Einschätzung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière auf den höchsten Stand seit zwanzig Jahren. Der CDU-Politiker sagte der "Bild am Sonntag": "Insgesamt rechne ich in diesem Jahr mit rund 200 000 Asylanträgen. Das wären circa 70 000 mehr als im vergangenen Jahr und die höchste Zahl seit Anfang der 90er Jahre." Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges habe Deutschland allein 50 000 Flüchtlinge und Asylbewerber aus Syrien aufgenommen.

Der Minister regte eine Debatte darüber an, wie viele Flüchtlinge Deutschland aufnehmen kann - auch als reiches Land. Im vergangenen Jahr hätten in Europa knapp 435 000 Personen einen Asylantrag gestellt, davon fast 30 Prozent in Deutschland . "Das ist deutlich mehr als wir aufnehmen müssten, egal welchen Verteilschlüssel man zugrunde legt." De Maizière forderte, künftig nur wirklich Schutzbedürftige aufzu nehmen.

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