Eine Truppe zum Wohlfühlen

Berlin · Es ist ein ehrgeiziges Ziel von der Leyens: Die Bundeswehr mit ihren 240 000 Soldaten und Zivilisten soll zu einem der modernsten Arbeitgeber Deutschlands werden. Kritiker lästern schon über die „Wohlfühl-Armee“ in „Kuschelkasernen“.

Es ist das Lieblingspro jekt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin war gerade drei Wochen im Amt, da verkündete sie: "Mein Ziel ist es, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen." Jetzt liegt eine Agenda mit 29 Punkten vor, die zu diesem Ziel führen soll. Das Papier ist gespickt mit Begriffen, mit denen von der Leyen aus ihrem vorherigen Job als Arbeitsministerin bestens vertraut ist: Intensivcoaching, Call-Center, Talentpool, E-Recruiting. Die Bundeswehr mit ihren 185 000 Soldaten und 55 000 Zivilbeschäftigten soll nach Auffassung von der Leyens zu einem möglichst normalen und modernen Unternehmen werden.

Von der Leyen geht mit dem Programm den Teil der Bundeswehrreform an, den ihr Vorgänger Thomas de Maizière ausgespart hatte. Zwar kursierte auch zu seiner Amtszeit schon ein Attraktivitäts-Programm. Realisiert wurde es aber nie. Unter den Soldaten sorgte das für viel Frust. Die Beschwerden beim Wehrbeauftragten des Bundestags sind deswegen auf einen Höchststand gestiegen.

Die meisten davon hat von der Leyen in ihrem Programm berücksichtigt. Die ständigen Versetzungen zum Beispiel. Für viele Soldaten sind sie das Hauptproblem. Durchschnittlich alle zwei bis drei Jahre müssen sie derzeit ihren Standort wechseln. Künftig sollen es alle vier bis sechs Jahre sein.

Daneben versucht von der Leyen all das zu ermöglichen, was in Wirtschaftsunternehmen oft zum Standard gehört: Teilzeitarbeit, Lebensarbeitskonten, Kinderbetreuung in den Kasernen, Seminare für Führungskräfte bis zum Vier-Sterne-General. 6000 Laptops, Smartphones und Tablet-Computer sollen für die Heimarbeit angeschafft und Call-Center für die Nachwuchswerbung geschaffen werden. All das soll es für nur 100 Millionen Euro aus dem bestehenden Etat geben. Mehrkosten für den Steuerzahler: null Euro.

So gut sich das alles anhört - das Projekt hat von der Leyen auch schon viel Spott eingebracht. Von der "Wohlfühl-Armee" in "Kuschelkasernen" ist die Rede. Als Erstes sickerte am Freitag aus dem Programm durch, dass künftig auf jeder Soldatenstube ein Fernseher und ein Kühlschrank stehen sollen. Das Ministerium entschied sich daraufhin, die Veröffentlichung eine Woche vorzuziehen. Offenbar sollte so der Eindruck vermieden werden, dass die Agenda ein reines Möblierungsprogramm für Soldaten-Stuben ist.

Kritiker werfen von der Leyen aber auch vor, dass sie die weichen Themen mit Engagement angeht, sich vor schwierigen Fragen aber drückt. Nächste Woche treffen sich die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel, um über die Konsequenzen aus der Ukraine-Krise zu beraten. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen fordert mehr Rüstungsausgaben, die östlichen Mitgliedstaaten wollen Bodentruppen zum Schutz vor Russland.

Von der Leyen hält sich aus der Debatte darüber bisher weitgehend heraus. Zu ihrer Ankündigung auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar, Deutschland müsse mehr Verantwortung übernehmen, passt das nicht.

Auslandseinsätze sind kein Gewinner-Thema, die Modernisierung der Arbeitsbedingungen in deutschen Kasernen schon. Selbst der Koalitionspartner SPD schätzt die Erfolgschancen der Attraktivitäts-Agenda aber skeptisch ein. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold erinnerte in der "Leipziger Volkszeitung" daran, dass es bereits ein "Kasernenprogramm 2000" gegeben habe, das bis heute nicht fertig umgesetzt sei.

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Auf einen BlickWichtige Punkte der Reformpläne: Familienangebote: Die Kinderbetreuung soll erweitert werden. Dazu gehört, mehr Plätze in externen Kindertagesstätten zu reservieren. Arbeitszeiten: Beschäftigte sollen ihre Arbeitszeiten individueller gestalten können. Telekommunikation: Um Kontakt mit ihren Familien zu halten, sollen Soldaten im Einsatz kostenlos telefonieren und im Internet surfen können. Gesundheit: Für die ge samte Bundeswehr soll ein betriebliches Gesundheitsmanagement aufgebaut werden, mit Gesundheitschecks, Sportangeboten und einer Stress- und Suchtprävention. Unterkünfte: Dienstunterkünfte sollen renoviert werden. Dazu gehört der Austausch alten Mobiliars durch eine "hochwertigere, moderne Ausstattung". dpa

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