Eine neue Chance für Al Qaida

Damaskus. Wieder schockieren Schreckensmeldungen von Massentötungen in Syrien die Welt. Fast 200 Leichen hat die Opposition nach eigenen Angaben in Darayya, nahe von Damaskus, entdeckt, massakriert durch die Armee Bashar al-Assads

Damaskus. Wieder schockieren Schreckensmeldungen von Massentötungen in Syrien die Welt. Fast 200 Leichen hat die Opposition nach eigenen Angaben in Darayya, nahe von Damaskus, entdeckt, massakriert durch die Armee Bashar al-Assads. Der Kampf um die Macht in Syrien nimmt immer grauenvollere Ausmaße an und dabei häufen sich die Hinweise, dass auch Assads Gegner Verbrechen gegen die Menschlichkeit verüben. Von Massenverhaftungen, Folterungen und Massenexekutionen ist die Rede. Mehr und mehr mischen sich in die Kreise der Rebellen radikale Gruppen, die die hemmungslosen Methoden und - zumindest teilweise - auch die Ideologie extremer Islamisten vom Schlage des Al-Qaida-Netzwerkes übernehmen. Schon taucht die alarmierende Frage auf, ob Al Qaida die Gunst der Stunde nutzt, um Syrien zum neuen Schlachtfeld im Kampf um ein Welt-Kalifat zu verwandeln.Beängstigende Parallelen zum Irak drängen sich auf. Ebenso wie in der säkularen syrischen Diktatur hatte dort das Terrornetzwerk einst keine Basis. Im blutigen Chaos nach dem von den USA initiierten Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 aber bot sich der Al Qaida die Chance, im Irak Fuß zu fassen. Die Gewalttäter fanden Unterstützung bei den wegen ihres Machtverlustes frustrierten sunnitischen Stämmen, bis die ungeheuerlichen Brutalitäten gegen unschuldige Zivilisten verbunden mit finanziellen Lockungen auch diese in die Kooperation mit den USA trieben. Von den vernichtenden Schlägen, die Washington durch einen verstärkten Militäreinsatz und die Hilfe sunnitischer Stammeskrieger dem Terrornetzwerk zufügte, konnte sich die Al Qaida bis heute nicht erholen.

Syriens seit Jahrzehnten weitgehend von der Macht ausgeschlossene sunnitische Bevölkerungsmehrheit ist zwar ähnlich frustriert wie ihre irakischen Glaubensbrüder, doch Al Qaidas radikal-islamistischem Gedankengut kaum aufgeschlossen. So wartete Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri zehn Monate ab, bis er im Januar erstmals seine Anhänger zur Unterstützung der sunnitischen Opposition aufrief. Seither dringen zunehmend kampferprobte Dschihadisten nach Syrien ein. Zugleich wächst die Zahl syrischer Gotteskrieger-Gruppen. Zwar versuchen einige von ihnen ebenso wie die Freie Syrische Armee (FSA) sich von Al Qaida zu distanzieren. Dennoch besteht kein Zweifel, dass diese erfahrenen Krieger der Opposition in ihrem Kampf gegen die Übermacht der staatlichen Streitkräfte sehr willkommen sind. Nach Einschätzung von Experten stärken sie die militante Opposition wesentlich. Sie haben zugleich aber auch das Regime zu immer größeren Brutalitäten insbesondere gegen Sunniten provoziert.

Somit dreht sich der Teufelskreis immer schneller. Denn mit wachsender Gewalt gewinnt der Anspruch der Al Qaida, sich zur Schutztruppe der bedrängten syrischen Sunniten zu erheben, an Attraktivität. Und damit wächst die Chance des Terrornetzwerkes, auf syrischem Boden eine neue Basis aufzubauen, von der es die gesamte Region kontrollieren könnte. Der anhaltende Horror ist Al Qaidas größte Hoffnung. cer

Foto: dpa

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