Eine märchenhafte Karriere

Berlin · Von der unscheinbaren Wissenschaftlerin zur mächtigsten Frau der Welt: Angela Merkel hat es nach ganz oben geschafft. Nicht ohne Ellbogen und nicht ohne eigene Ziele aufzugeben. Doch die Deutschen vertrauen ihr.

Macht sie als Frau eine andere Politik als Männer , fragt kürzlich ein junger chinesischer Student die Kanzlerin. Die sagt: "Das ist nicht ganz einfach für mich zu sagen, weil ich ja kein Mann bin." Typisch Angela Merkel. Sie antwortet, ohne zu antworten. Trotzdem ist klar: Gerade sie macht Politik nicht anders als Männer . Sie kann genauso eisern, kühl und emotionslos sein, wie Männer erlebt werden. Sie hat drei Wahlen gegen SPD-Kandidaten gewonnen. Sie hat Konkurrenten in der Union wie Friedrich Merz kaltgestellt und ihren Zieh- und CDU-Übervater Helmut Kohl in der Parteispendenaffäre vom Thron gestoßen.

Heute wird Merkel 60 Jahre alt. Von Reinfeiern im kleinen Kreis keine Spur: Am Vorabend stand mit dem EU-Sondergipfel in Brüssel wieder mal viel Arbeit an. Aber in Europa fühlt sich Merkel wohl. Seit der Finanzkrise hat sie sich immer mehr als Außenpolitikerin profiliert. In der EU läuft gegen sie fast nichts mehr. Die Präsidenten der USA, Chinas oder Russlands rufen bei Merkel an, wenn sie mit Europa sprechen wollen.

Ihre Karriere ist märchenhaft, wie es US-Präsident Barack Obama 2011 schilderte, als er ihr die höchste zivile Auszeichnung der USA überreichte, die Freiheitsmedaille. Eine Naturwissenschaftlerin aus der DDR, zunächst schüchtern und unscheinbar, wird die einflussreichste Politikerin - in Deutschland , Europa und der Welt. Das US-Magazin Forbes hat sie zum vierten Mal zur mächtigsten Frau der Welt gekürt. In Deutschland führt sie immer wieder die Beliebtheitsskala der Politiker an.

Merkel wurde in Hamburg geboren, wuchs in Brandenburg auf, wo ihr Vater Pfarrer war. Sie studierte in Leipzig Physik und ging erst nach dem Mauerfall in die Politik. Sie ist mit dem Chemieprofessor Joachim Sauer verheiratet. Es gibt keine Homestorys. Man weiß nicht viel über Mutter, Schwester, Bruder. Seit neun Jahren regiert Merkel jetzt das Land. Deutschland ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut, sogar sehr gut durch die internationale Finanzkrise gekommen: Die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise niedrig, die Konjunktur läuft. Es gibt Unmut über zu niedrige Zinsen, die kalte Progression und die Kosten der Energiewende. Und es ist kaum zu glauben, dass es in einem so reichen Land wie Deutschland Kinder gibt, die in Armut leben. Aber das Land ist stabil und behauptet sich.

So manches eigene Ziel hat Merkel nicht erreicht. Die Verlängerung der Atomlaufzeiten zum Beispiel. Dagegen musste sie Ziele der anderen durchsetzen, zuletzt die Rente mit 63 und derzeit die Pkw-Maut. Aber: Sie ist Chefin.

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