Missbrauch in Hollywood Eine Hollywood-Serie, die keiner sehen will
Los Angeles · Immer mehr Belästigungsvorwürfe gegen prominente Filmschaffende: Jetzt steht auch noch Hollywood-Größe Dustin Hoffman auf der unrühmlichen Liste.
() Sie war gerade einmal 17 Jahre alt. Praktikantin am Set von Arthur Millers „Death of a Salesman“, im Jahr 1985. In der Hauptrolle: Dustin Hoffman. „Er war ein Jäger, ich war ein Kind, und das war sexuelle Belästigung“, schreibt die US-Autorin Anna Graham Hunter in einer Kolumne des Filmblatts „Hollywood Reporter“. An diesem Mittwoch bricht sie erstmals ihr Schweigen über die Vorfälle, die sie mehr als 30 Jahre lang für sich behalten hatte. Vorfälle, die Hollywood-Schauspieler Dustin Hoffman schwer belasten. Hoffman habe sie um eine Massage gebeten, an den Po gegriffen und mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen bedrängt.
Die Reaktion des Schauspielers kam prompt. In einer Stellungnahme betonte der 80-jährige Oscar-Preisträger, dass er sich „fürchterlich“ fühle. Er habe „größten Respekt“ vor Frauen und bedauere, dass er eine Frau möglicherweise in eine „unangenehme Situation“ gebracht haben könnte. „Das gibt nicht wieder, wer ich bin.“
Hoffman ist mittlerweile in guter bzw. schlechter Gesellschaft. Denn es ist eine regelrechte Kaskade von Belästigungsvorwürfen, die derzeit die US-amerikanische Unterhaltungsbranche durcheinanderwirbelt. Neben Hoffman stehen auch der Regisseur James Toback, „House of Cards“-Schauspieler Kevin Spacey und „Rush Hour“-Regisseur Brett Ratner auf der unrühmlichen Liste. Letzterem werfen sechs Frauen, darunter die Schauspielerinnen Olivia Munn und Natasha Henstridge, in Interviews mit der „Los Angeles Times“ sexuelle Übergriffe vor, die teilweise in die 1990er Jahre zurückreichen. Ratner wies die Anschuldigungen über seinen Anwalt Martin Singer „kategorisch“ zurück. In einer Verleumdungsklage gehen der 48-jährige Regisseur und sein Anwalt sogar gegen eine Schauspielerin vor. Sie habe ihn fälschlicherweise der Vergewaltigung beschuldigt.
Ob falsch oder wahr, Hollywood kennt kein Erbarmen: Ratners geplantes Regieprojekt über den kürzlich verstorbenen „Playboy“-Gründer Hugh Hefner wurde kurzerhand auf Eis gelegt. Ein Sprecher von Playboy Enterprises teilte dem „Hollywood Reporter“ mit, dass die Lage geprüft werden müsse, bevor die Zusammenarbeit fortgesetzt werde. Ratner selbst teilte mit, er wolle sich erst einmal aus allen Warner-Brothers-Projekten zurückziehen. „Ich möchte keinen negativen Einfluss auf die Studios auslösen, bis diese persönlichen Angelegenheiten gelöst sind.“
Ähnlich ergeht es Kevin Spacey. Diese Woche kam das Aus für die Netflix-Serie „House of Cards“, in der Spacey den skrupellosen Präsidenten Frank Underwood spielt. Zwei Schauspieler hatten ihm zuvor sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Der 58-Jährige, der sich wenig später als schwul outete, will nun therapeutische Hilfe suchen. Netflix zufolge sei das Serien-Ende schon länger geplant gewesen, doch das Timing erweckt den Eindruck einer gezielten Reaktion auf die Missbrauchsvorwürfe.
Die Enthüllungswelle kommt nicht von ungefähr. Angefangen hatte alles vor knapp einem Monat mit Star-Produzent Harvey Weinstein. Mehr als 50 Frauen beschuldigten ihn öffentlich, sie sexuell belästigt zu haben. Die Anschuldigungen reichten von massivem sexuellen Machtmissbrauch bis zur Vergewaltigung. Unter den Opfern: berühmte Schauspielerinnen wie Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie. Seine Produktionsfirma feuerte ihn, die Oscar-Akademie schloss ihn aus.
Im Internet entstand daraufhin eine Kampagne, die Frauen länderübergreifend dazu ermutigt, sexuelle Belästigung öffentlich anzuprangern. Die US-Schauspielerin Alyssa Milano war die erste, die unter dem Hashtag „#MeToo“ ein Zeichen setzte. Frauen aus aller Welt schlossen sich der Aktion an. Die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai schrieb auf Twitter unter „Me Too“: „Ich kenne keine Frau, bei der das nicht der Fall ist.“
Die Welle erreichte selbst das EU-Parlament in Straßburg. Die polnische Konservative Jadwiga Wisniewska rief die Parlamentarierinnen auf, endlich ihr Schweigen zu brechen, die schwedische Grüne Malin Björk beklagte eine „Machokultur“ in der Straßburger Volksvertretung. Mehrere Parlamentarierinnen verwiesen auf eine Umfrage, nach der ein Drittel aller Frauen in der EU mindestens einmal Opfer von sexueller Belästigung oder Gewalt wurden. Um die Missbrauchsfälle im EU-Parlament aufzuklären, forderte der französische SPD-Abgeordnete Edouard Martin ein „externes Audit“.
Unter besonderer Beobachtung stehen in den kommenden Wochen auch Dustin Hoffman und diverse andere Schauspielerkollegen. „MeToo“ wird wohl nicht der letzte Hashtag dieser Art gewesen sein.