Eine „historische Stunde“ für den Präsidenten

Für den kleinen Miroslav war gestern ein aufregender und ganz besonderer Tag. Der fünfjährige Knirps, 2008 in Saarbrücken als Sohn eines Mexikaners und einer Bulgarin geboren, ist seit gestern deutscher Staatsbürger.

 Präsident Gauck begrüßt die Neubürger Nicolas Carrillo Ramirez und dessen Sohn Miroslav.

Präsident Gauck begrüßt die Neubürger Nicolas Carrillo Ramirez und dessen Sohn Miroslav.

Seinen Freunden im Kindergarten in Merzig hat der pfiffige Kerl heute viel zu erzählen. Denn der Bundespräsident persönlich hat ihn und seinen Vater Nicolas Carrillo Ramirez, einen 37 Jahre alten promovierten Entwicklungs-Ingenieur, bei einem Festakt in der Staatskanzlei als Neubürger begrüßt. Stolz wie ein Kaiser präsentierte Miroslav später seine Einbürgerungsurkunde, die ihm Innenministerin Monika Bachmann überreicht hatte. Lesen kann der Junge, der fließend deutsch spricht, noch nicht. Seine Eltern werden das Dokument für ihn aufbewahren - mit einem Foto, das Vater und Sohn mit dem Staatsoberhaupt zeigt.

Die Feier für 17 Neubürger aus 14 Nationen war der erste Programmpunkt beim Antrittsbesuch von Joachim Gauck im Saarland. Für den Präsidenten eine echte Premiere und eine "historische Stunde". Das Saarland kennt er bereits, aber eine solche Feier hatte er bislang noch nicht erlebt. "Unser Land hat sich verändert durch Zuwanderung. Irgendwann werden wir die Vielfalt als etwas typisch Deutsches bezeichnen", sagte Gauck und rief die Deutschen auf, Zuwanderern mit Respekt und Achtung zu begegnen. "Deutschland braucht Zuwanderer", betonte er.

Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer verriet dem Bundespräsidenten und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt sowie den 100 geladenen Gästen, dass diese Veranstaltung Symbolcharakter für das Saarland habe. Das Entscheidende für die Saarländer, die in der Vergangenheit häufig den Pass wechseln mussten, sei ihre Heimat gewesen. Die 17 Neubürger begrüßte sie mit den Worten: "Ohne sie wäre unser Land ein gutes Stück weniger bunt und ein gutes Stück ärmer." Miroslav hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Freundschaft mit einer sechsjährigen Neu-Saarländerin mit syrischen Wurzeln geschlossen. Ihr Interesse konzentrierte sich in diesem Moment aber auf ein Bilderbuch.

Eine saarländische Besonderheit, das enge Verhältnis zum Nachbarland Frankreich, lernte Gauck zum Start seiner Saarland-Visite kennen. Kaum hatte der Präsidenten-Tross - eskortiert von sieben in Rheinland-Pfalz ausgeliehenen Polizeimotorrädern - die Runde um die Ludwigskirche gedreht, begrüßten 25 Kinder der deutsch-französischen Grundschule in Saarbrücken den Staatsgast mit Liedern in beiden Sprachen am roten Teppich vor der Staatskanzlei.

Mit einer Eskorte fuhr Gauck nach einer etwa einstündigen Mittagspause im Saarbrücker Hotel Leidinger zum Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Generaldirektor Meinrad Grewenig führte den 73-jährigen früheren evangelischen Pastor eine Stunde lang durch die Industriekathedralen und die Ausstellung "Urban Art Biennale". Mit Handschlag begrüßte Gauck die Mitarbeiter des Weltkulturerbes. Kramp-Karrenbauer mit Ehemann Helmut und Vize-Regierungschef Heiko Maas wichen nur selten von der Seite der Saarland-Besucher aus Berlin und waren auch wieder dabei, als Gauck und Schadt später im prächtigen Gästehaus der Dillinger Hütte mit knapp zwei Dutzend Spitzenvertretern der Saar-Wirtschaft zusammentrafen. Das große Thema dort: die Chancen und Schwierigkeiten der Arbeitswelt in der Großregion, speziell die noch ausbaufähige Zusammenarbeit mit Frankreich - von Sprachbarrieren, fehlender Mobilität bis hin zu Hemmnissen in der grenzüberschreitenden Ausbildung. Gauck hörte aufmerksam zu, staunte bisweilen, stellte Fragen. Am Ende äußerte er die Hoffnung, dass die guten Erfahrungen der Wirtschaft auf die Politik ausstrahlen mögen. Denn, so befand das Staatsoberhaupt: Ein Europa ohne eine freundschaftliche Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich sei nicht vorstellbar: "Wir brauchen einander." Die deutsch-französische Freundschaft stand dann im Zentrum der letzten Station des Bundespräsidenten: Mit sieben Minuten Verspätung erreichte Gauck die mit rund 200 Gästen besetzte Aula der Saar-Uni. Zum Abschluss eines ereignisreichen Tages, so erklärte Kramp-Karrenbauer, sollten die zu Wort kommen, für die das Friedensprojekt Europa längst Normalität ist: Schüler und Studenten aus Saar-Lor-Lux. Besonders erfreut über den prominenten Gast war Uni-Präsident Professor Volker Linneweber. Er nannte den Besuch Gaucks "Ehre und Auszeichnung" zugleich und schloss mit dem Satz. "Herzlich willkommen im kleinen, mutigen Saarland."

 Vor dem Weltkulturerbe: Joachim Gauck mit Lebensgefährtin Daniela Schadt, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Direktor der Völklinger Hütte, Meinrad Maria Grewenig. Fotos: B&B

Vor dem Weltkulturerbe: Joachim Gauck mit Lebensgefährtin Daniela Schadt, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Direktor der Völklinger Hütte, Meinrad Maria Grewenig. Fotos: B&B

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HintergrundZum Steuerfall Uli Hoeneß hat sich Präsident Joachim Gauck erst nach mehrmaliger Nachfrage von Journalisten geäußert. "Ich bin der Meinung, dass Steuern zahlen manchmal beschwerlich, aber immer nützlich ist", sagte der Bundespräsident und fragte, wie sonst denn zum Beispiel unsere Schulen funktionieren sollten. Er werde keine moralische Verurteilung der Person Hoeneß vornehmen, betonte Gauck, aber: "Demokratie lebt von der Bereitschaft aller, etwas beizutragen. Es gehört zur Bürgerkultur, dass wir uns mitverantwortlich fühlen." Manchmal müsse man als Bürger Pflichten einfach akzeptieren. tho

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