Eine Frau will Thailand versöhnen

Bangkok. In der Zentrale von Thailands Oppositionspartei Pheu Thai knistert die Spannung kurz vor Schließung der Wahllokale. "Ich habe so ein Gefühl, alles wird gut", flüstert eine Frau im Trubel der wartenden Parteianhänger. Vor Anspannung hat sie die Hände zu Fäusten geballt

Bangkok. In der Zentrale von Thailands Oppositionspartei Pheu Thai knistert die Spannung kurz vor Schließung der Wahllokale. "Ich habe so ein Gefühl, alles wird gut", flüstert eine Frau im Trubel der wartenden Parteianhänger. Vor Anspannung hat sie die Hände zu Fäusten geballt. Als die ersten Prognosen über den Bildschirm flimmern, reißt sie die Arme hoch: Eine satte absolute Mehrheit sagen die Fernsehsender voraus - mehr, als sich jeder hat träumen lassen. Spitzenkandidatin Yingluck Shinawatra (44) ist auf bestem Weg, als erste Frau Thailands Regierung anzuführen - wenn die Armee sie lässt und die Wahlkommission ihrer Partei keinen Betrug anhängt.Yingluck hat im Wahlkampf ganz auf das Thema Versöhnung gesetzt. Die tiefen Gräben in der Gesellschaft zu überwinden, sei ihre Mission. Viel Konkretes hat sie dazu nicht gesagt. "Versöhnung heißt, dass jeder alles Nötige tut, um dieses Land zu einen und Konflikte zu überwinden", erklärte sie im Interview mit der "Bangkok Post".

Der Armee und dem sogenannten Establishment - alteingesessenen einflussreichen Familien - ist der Shinawatra-Clan seit Jahren ein Dorn im Auge. Das fing mit Yinglucks Bruder Thaksin an, der selbst 2001 Ministerpräsident wurde. Er gewann die arme Landbevölkerung als politische Machtbasis, marginalisierte das Establishment und spaltete damit das Land. Aber er gewann drei Wahlen. Die Armee putschte ihn 2006 aus dem Amt. Doch das Volk wählte wieder eine Partei von Thaksins Gnaden. Die Justiz löste sie auf und ebnete damit der Opposition - getragen vom alten Establishment - den Weg zur Macht. Der neuerliche Sieg der Thaksin-Anhänger ist für die alten Kräfte eine tiefe Schmach - und Yingluck ein rotes Tuch.

"In Thailands Demokratie können die Wahlgewinner nicht regieren und die, die regieren, keine Wahlen gewinnen", analysierte der Politologe Thitinan Ponsudhirak vor der Wahl pessimistisch. "Es muss ein Kompromiss gefunden werden", sagt er am Sonntag. "Sie müssen sie (Yingluck) regieren lassen, aber sie muss auch auf eine Art regieren, mit der die Gegner leben können."

In der Parteizentrale sind die Anhänger erst einmal außer Rand und Band, als die Geschäftsfrau erscheint. "Yingluck Nummer eins" schreien sie begeistert.

Vor einem Jahr haben sie gemeinsam mit der Bewegung der Rothemden in Bangkok gegen die Regierung demonstriert - damals vergeblich. Die Regierung ließ den Massenprotest mit Panzern beenden. 92 Menschen kamen in den acht Wochen ums Leben.

Für die Rothemden ist der Wahlsieg von Sonntag eine späte Genugtuung. Thaksin-Parteien haben jede Wahl seit 2001 gewonnen, und waren trotzdem seit zweieinhalb Jahren nicht mehr an der Macht. Dafür sorgten Massenproteste von Thaksin-Gegnern, ein dubioses Gerichtsurteil gegen die damalige Thaksin-nahe Regierungspartei und Machtverschiebungen im Parlament, bei denen das Militär mitgemischt haben soll.

Yingluck muss an zwei Fronten kämpfen: Sie muss zum einen die Thaksin-Anhänger ins Boot holen und sicherstellen, dass ihre Genugtuung nicht in Rachegelüste mit der Forderung umschlägt, die Thaksin-Gegner gnadenlos zu verfolgen. Auf der anderen Seite muss sie die Thaksin-Gegner in eine Versöhnung miteinbeziehen, um neue Massenproteste zu vermeiden. "Das verlangt nach Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl", sagt Yinglucks Parteikollegin Jarupan Kuldiloke (37). "Die typischen Qualitäten einer Frau."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Der letzte AbstichAm 4. Juli 1986 legte die Völklinger Hütte ihren Hochofen 6 still - Tag der Trauer für die Hüttenmitarbeiter und Ende einer Ära: Mehr als 100 Jahre Roheisenproduktion in der Stadt waren nur mehr Geschichte. Die Hochofenanlage, komplett e
Der letzte AbstichAm 4. Juli 1986 legte die Völklinger Hütte ihren Hochofen 6 still - Tag der Trauer für die Hüttenmitarbeiter und Ende einer Ära: Mehr als 100 Jahre Roheisenproduktion in der Stadt waren nur mehr Geschichte. Die Hochofenanlage, komplett e