Eine Debatte rührt an der Seele der CDU"Das Wort Kronprinzessin akzeptiere ich nicht"

Frau von der Leyen, hat der Parteitag den Unionsstreit zwischen Modernisierern und Konservativen beendet?Von der Leyen: Das war ein ganz klarer Parteitag der Geschlossenheit. Was auch daran lag, dass wir gerade in Fragen, die die Partei bewegen, ausgewogene Diskussionen geführt haben. Wir gehen in die Moderne, aber vergessen die konservativen Werte nicht. Das ist unser Kurs

 Eine Laboringenieurin betrachtet Bilder von Eizellen kurz nach der künstlichen Befruchtung. Darf der Mensch in diesem Stadium in die natürliche Entwicklung des Lebens eingreifen? Damit beschäftigte sich gestern der CDU-Parteitag. Foto: dpa

Eine Laboringenieurin betrachtet Bilder von Eizellen kurz nach der künstlichen Befruchtung. Darf der Mensch in diesem Stadium in die natürliche Entwicklung des Lebens eingreifen? Damit beschäftigte sich gestern der CDU-Parteitag. Foto: dpa

Frau von der Leyen, hat der Parteitag den Unionsstreit zwischen Modernisierern und Konservativen beendet?

Von der Leyen: Das war ein ganz klarer Parteitag der Geschlossenheit. Was auch daran lag, dass wir gerade in Fragen, die die Partei bewegen, ausgewogene Diskussionen geführt haben. Wir gehen in die Moderne, aber vergessen die konservativen Werte nicht. Das ist unser Kurs.

Aber gerade die Debatten über Wehrpflicht und Embryonenschutz haben auch gezeigt, dass es eine Zerrissenheit gibt.

Von der Leyen: Nein, gerade diese Diskussionen zeigen, wie der lebendige Prozess läuft, wie konservative Werte wie Verantwortung des Einzelnen für den Staat oder der Lebensschutz von einer Partei in die Moderne übersetzt werden. Das hebt die CDU von der Opposition ab, die den ganz schwierigen Fragen am liebsten ausweicht. Außerdem gibt es bei so bewegenden ethischen Fragen wie dem Embryonenschutz vor allem Respekt, dass es vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes unterschiedliche Standpunkte geben kann.

War es richtig, dass Angela Merkel Schwarz-Grün so deutlich eine Absage erteilt hat?

Von der Leyen: Im Augenblick erleben wir, dass die Grünen sich vor allem darüber definieren, was sie bekämpfen. Sie sagen nur Nein. Für mich ist eine regierungsfähige Partei eine, die auch sagt, wie sie konkret die Zukunftsprobleme lösen will.

Ist die Tür für eine Zusammenarbeit jetzt zu?

Von der Leyen: Zurzeit sind die Türen zu. Denn im Augenblick ist diese Option nicht gegeben. Das zeigt sich an den sehr unterschiedlichen Positionen, die Union und Grüne derzeit einnehmen.

Wie fühlt man sich denn als Kronprinzessin der Parteivorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel?

Von der Leyen: Das Wort akzeptiere ich überhaupt nicht. Ich bin eine eigenständige Person innerhalb unserer Partei. Und ich finde es spannend, wenn wir in der CDU viele Leistungsträgerinnen und Leistungsträger haben. Außerdem weiß ich ganz genau, jede Generation hat nur einen Kanzler. In diesem Fall haben wir eine erfolgreiche Kanzlerin und die erlebe ich als sehr tatkräftig und verlässlich.

Wofür wird die neue Partei-Vize Ursula von der Leyen stehen?

Von der Leyen: Mir geht es darum, die großen Linien mit zu bewegen und zu bestimmen. Mein Lebensthema ist der Zusammenhalt der Generationen in einer modernen und globalisierten Welt. Mir geht es zugleich darum, Begriffe wie Solidarität und Eigenverantwortung mit Leben zu erfüllen. Deswegen sind mir zum Beispiel die Bildungschancen für alle Kinder eine Herzensangelegenheit. Dafür werde ich beharrlich werben.Karlsruhe. Die Messehalle in Karlsruhe ist ein nüchterner Zweckbau. Dennoch fielen dort gestern häufig Begriffe wie Gott, Leben, Leid, Schicksal. Es wurden Reden mit großem moralischem und philosophischem Tiefgang gehalten, die Tonlage glich oft einer Predigt. 31 Wortmeldungen gab es, und auch nach über drei Stunden waren die 1000 Delegierten noch hochkonzentriert. Es war, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, "eine Debatte, die an der Seele der Partei rührt". Mit hauchdünner Mehrheit hat sich die CDU auf ihrem Parteitag letztlich für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. Dabei geht es um die Untersuchung von künstlich befruchteten Eizellen auf Gendefekte vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib. 408 Delegierte stimmten für, 391 gegen ein Totalverbot. Die Unterlegenen hatten eine begrenzte Zulassung des Verfahrens gewollt.

"Es gibt einen Unterschied zwischen dem Embryo im Mutterleib und dem in der befruchteten Eizelle." Das sagte Familienministerin Kristina Schröder, PID-Befürworterin, und machte zu Erläuterung ein "Gedankenexperiment". Angenommen, in einem Laborraum befänden sich ein Baby sowie ein Gefäß mit zehn befruchteten Eizellen. Es brenne, und man könne nur eins retten, das Baby oder das Gefäß. "Fast alle hier im Saal würden sich für das Baby entscheiden." Letztlich ging es um die Frage, wann das Leben beginnt. Julia Klöckner, rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin, hatte dazu eine glasklare Position: "Entweder man respektiert die Würde des Lebens von Anfang an oder eben nicht." Ähnlich äußerte sich auch Fraktionschef Volker Kauder. Klöckner schilderte eine Begegnung mit Behinderten. Viele von denen hätten dort nicht gesessen, wenn PID erlaubt wäre, sagte die 37-jährige Politikerin.

"Ich habe die Sorge, dass wir die Grenzen nicht definieren können." Das sagte Kanzlerin Angela Merkel (Foto: dapd) und meinte, es sei kaum zu bestimmen, für welche Krankheiten die Untersuchungsmethode zugelassen werde und für welche nicht. Etliche Redner, darunter viele Ärzte, berichteten, dass mit PID theoretisch nicht nur Krankheiten wie Mukoviszidose feststellbar seien, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von Brustkrebs oder Herzinfarkt. Es stelle sich die Frage, ob auch diese Embryonen aussortiert werden sollten. Die Gewerkschafterin Regina Görner sorgte sich gar, dass bald Babys "nach den Normen der Werbewelt selektiert" würden.

Ex-Generalsekretär Peter Hintze entgegnete, dass die künstliche Befruchtung sehr belastend ist. "Wer glaubt, die Sehnsucht nach blauen Augen wird irgendwen in die künstliche Befruchtung treiben, geht an der Lebenswirklichkeit total vorbei." Seine Mitstreiterin Katherina Reiche berichtete von den schweren Konflikten von Eltern, die ihr schwerst krankes Kind begraben mussten und nun wissen wollen, ob bei der nächsten künstlichen Schwangerschaft ein ähnliches Schicksal droht. "Ich weiß nicht, ob das christlich ist. Für mich ist es barmherzig", sagte die Umwelt-Staatssekretärin.

"Wie glaubhaft ist ein Rechtssystem, das den Fötus im Mutterleib weniger schützt als den Embryo in der Petrischale?", war das Argument nicht nur von Norbert Lammert. Es geht um die Tatsache, dass anders als PID Untersuchungen am Fötus im Mutterleib im Rahmen der Pränataldiagnostik (PND) selbstverständlich möglich sind, auch die Abtreibung. "PID ist die menschenfreundliche Alternative zu PND", sagte Hintze. Hier hielt Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder entgegen: "Nur weil wir an einer Stelle den Rubikon überschritten haben, müssen wir es nicht woanders tun." Und das wollte die knappe Mehrheit am Ende auch nicht.

Der gestrige CDU-Beschluss bedeutet eine Bestätigung des geltenden Grundsatzprogramms der Partei. Das Verbot war Rechtslage im Embryonenschutzgesetz, bis im Sommer der Bundesgerichtshof anders urteilte. Nun muss der Bundestag neu entscheiden. Dabei soll der Fraktionszwang aufgehoben werden. Eine beschränkte Zulassung gilt als wahrscheinliches Ergebnis.

"Ich habe die Sorge, dass wir die Grenzen nicht definieren können."

Kanzlerin Angela Merkel über PID

Meinung

Eine Frage

der Ethik

Von SZ-Korrespondent

Werner Kolhoff

Wer Anschauungsmaterial braucht für seinen Unterricht in Politik, Ethik oder Religion, der wird kaum Besseres finden als das Video von der über dreistündigen Debatte gestern auf dem CDU-Parteitag zur Präimplantationsdiagnostik. So geht Diskussion, so geht Demokratie.

Freilich, die Präimplantationsdiagnostik ist ein rein ethisches Thema. Es geht um die Frage, ob der Mensch dieses große Experiment, die Selektion des Lebens schon bei seiner Entstehung, überhaupt beginnen darf. Und die CDU sagt mehrheitlich Nein.Bei anderen ebenso ethischen Fragen hingegen wird nicht einmal debattiert, geschweige denn Nein gesagt. Vor allem dann nicht, wenn auch ökonomische Interessen im Spiel sind. Etwa bei der Frage, ob es richtig ist, Nutzpflanzen auf ewig genetisch zu verändern. Ob es moralisch korrekt ist, Atommüll zu erzeugen, den niemand bei sich haben will.

 Eine Laboringenieurin betrachtet Bilder von Eizellen kurz nach der künstlichen Befruchtung. Darf der Mensch in diesem Stadium in die natürliche Entwicklung des Lebens eingreifen? Damit beschäftigte sich gestern der CDU-Parteitag. Foto: dpa

Eine Laboringenieurin betrachtet Bilder von Eizellen kurz nach der künstlichen Befruchtung. Darf der Mensch in diesem Stadium in die natürliche Entwicklung des Lebens eingreifen? Damit beschäftigte sich gestern der CDU-Parteitag. Foto: dpa

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