Eine Botschaft der HoffnungNach Guttenberg ist jetzt Kerner im Visier

Washington. Barack Obama (Foto: dpa) hat lange warten müssen, bis er erste Erfolge im Afghanistankrieg verkünden konnte. Jetzt, kurz vor Weihnachten, sind die Nachrichten über die Fortschritte im Kampf gegen die Taliban wie Balsam für die amerikanische Seele. Zwar räumt die neuste Bilanz ein, dass es noch erhebliche Probleme gebe

Washington. Barack Obama (Foto: dpa) hat lange warten müssen, bis er erste Erfolge im Afghanistankrieg verkünden konnte. Jetzt, kurz vor Weihnachten, sind die Nachrichten über die Fortschritte im Kampf gegen die Taliban wie Balsam für die amerikanische Seele. Zwar räumt die neuste Bilanz ein, dass es noch erhebliche Probleme gebe. Doch die Botschaft, die Obama unters Volk bringen will, ist klar und deutlich: Es geht aufwärts, im nächsten Jahr kommen die ersten Jungs nach Hause.Doch ob diese gute Nachricht für die amerikanischen Truppen auch eine gute Nachricht für Afghanistan bedeutet, ist fraglich. Wohl kaum ein Zufall, dass sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) just einen Tag vor der Veröffentlichung des US-Berichts zu Wort gemeldet hatte. Normalerweise hält sich die Hilfsorganisation mit öffentlichen Äußerungen zurück. Doch was Reto Stocker, IKRK-Chef für Afghanistan, in Kabul zu sagen hatte, ist schockierend: Von einer "neuen, recht dunklen Phase" des Konflikts sprach er. Immer mehr Afghanen gerieten ins Kreuzfeuer. Für Helfer werde es immer schwieriger, Menschen in Not zu erreichen. Wörtlich: "Der Konflikt ist jetzt in seinem zehnten Jahr. Er breitet sich aus. Es ist kein Ende in Sicht." Düsterer könnte eine Bilanz kaum ausfallen.

Auch neueste Zahlen über tote Soldaten sprechen eine klare Sprache: Das neunte Kriegsjahr ist für die ausländischen Truppen am Hindukusch zugleich das verlustreichste. 690 ausländische Soldaten kamen ums Leben. Weitaus mehr Tote gab es bei den afghanischen Sicherheitskräften. Bittere Bilanz auch bei den Zivilisten: Allein im ersten Halbjahr starben fast 1300 Unbeteiligte, ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum.

Doch der Bericht, den Obama am diesem Tag vorlegt, konzentriert sich nicht auf die Opfer, sondern auf den Kampf gegen die Feinde. Zwar gebe es echte Erfolge im Vorgehen gegen Taliban und Al Qaida, doch zugleich versucht der Bericht, allzu große Hoffnungen zu dämpfen. "Diese Fortschritte bleiben zerbrechlich und umkehrbar." Nach Durchbruch oder gar "Sieg" klingt das nicht. Der ernüchternde Kern der Botschaft: Es ist noch viel zu tun.

Vor allem Pakistan macht weiter Sorge. Harsche Kritik an dem wackeligen Verbündeten wird zwar vermieden. Doch wenn es gelingen soll, den Talibankämpfern die Rückzugsgebiete in den Grenzregionen zu nehmen, brauche es "größere Zusammenarbeit" mit Pakistan.

Doch der Schlüsselsatz, auf den es Obama in seiner vorweihnachtlichen Botschaft ankommt, ist ein ganz anderer. "Unsere Strategie in Afghanistan ist es, die Bedingungen zu schaffen, um im Juli 2011 eine verantwortungsvolle Verringerung der US-Truppen zu beginnen." Schon seit längerem gibt es in Washington kaum noch Zweifel, dass Obama vor allem eines im Sinn hat - die "Exit Strategy", den Ausweg aus dem Krieg in Afghanistan. Denn Obama weiß: Neben der schlechten Wirtschaftslage ist der Krieg in Afghanistan zu seiner Achillesferse geworden. Neue Umfragen, wonach 60 Prozent der Amerikaner meinen, der Kampf am Hindukusch lohne sich nicht, lassen im Weißen Haus die Alarmglocken schrillen.

Schon meinen Kritiker, der Bericht weiche der entscheidenden Frage aus: Wie viele Amerikaner werden im nächsten Jahr tatsächlich nach Hause kommen? Wenn Obama seine Chancen wahren wolle, 2012 wiedergewählt zu werden, müsse er vor allem für eins sorgen - dass bald viele "Jungs" heil nach Hause kommen. Berlin. Ausgerechnet während der Regierungserklärung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zur Lage in Afghanistan blätterte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gestern im Bundestag konzentriert in seinen Akten. Nur ab und an blickte er mal hoch, zum Beispiel, als Westerwelle bewusst Zwischenrufe der Opposition provozierte, um anschließend die umstrittene Reise seines Kabinettskollegen mit Ehefrau Stephanie zu Guttenberg nach Afghanistan verteidigen zu können. "Ihre Schmähkritik an Frau zu Guttenberg war einfach unanständig", polterte Westerwelle in Richtung SPD. Kollege Guttenberg lächelte zustimmend.

Die Linie der Regierung in dieser heiklen Angelegenheit ist klar, sie setzt auf Gegenangriff. Die Opposition indes lässt nicht locker und richtet ihr Augenmerk auf die Mitnahme des Talkmasters Johannes B. Kerner (Foto: dapd) ins Einsatzgebiet der Bundeswehr. Dessen Sendung zur Lage der Truppe am Hindukusch lief gestern Abend über den Bildschirm.

Anders als bislang bekannt reisten Kerners Leute mit Hilfe der Bundeswehr gleich mehrfach von Anfang November bis zum 13. Dezember nach Afghanistan, um die Show vorzubereiten und durchzuführen, insgesamt fünf Mal. Das geht hervor aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf Fragen des Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele. Das Ministerium stellte diese selbst veröffentlichen Angaben gestern allerdings wieder in Frage - durch personelle Überlappungen habe es wohl eher weniger Reisen gegeben. In ihrer Antwort weist das Ministerium zudem die Kritik zurück. Die Produktion der Sendung sei eine "Maßnahme der Informationsarbeit" gewesen.

Ströbele lässt das nicht gelten: Erstens sei die Sendung anders als vorgegeben "offenbar doch seit Monaten geplant gewesen". Und zweitens sei der Aufwand "an einem Kriegsschauplatz geschmacklos, absurd und eine Zumutung für die Soldaten", so Ströbele zur SZ. Er forderte, die Kosten offen zu legen. has

Meinung

Gefahr des Selbstbetrugs

Von SZ-MitarbeiterFriedemann Diederichs

Die Regierungen in Washington und Berlin haben ein gemeinsames Problem: Beide müssen den Ausstieg aus einem Krieg finden, der von der Mehrheit der Bürger schon lange nicht mehr mitgetragen wird. Dass deshalb trotz zahlreicher Unwägbarkeiten am Ausstiegs-Beginn im kommenden Jahr festgehalten und auch mit dem End-Datum 2014 gewinkt wird, entspricht politischer Zwangsläufigkeit. Doch die gestern vom Weißen Haus vorgelegte Strategie-Analyse lässt für dominierenden Optimismus keinen großen Platz. Und wenn sich - mit Blick auf den Terminplan - bei der Kernfrage, in welchen Regionen wann die Verantwortung voll in afghanische Hände gelegt wird, am Ende der politische Wille gegen die Sicherheits-Realitäten vor Ort behaupten sollte, so wäre das eine gefährliche Form von Selbstbetrug.

Hintergrund

Zeitplan für den Abzug aus Afghanistan:

Im ersten Halbjahr 2011 will die internationale Schutztruppe Isaf mit der Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit im Land an die Afghanen beginnen. Mitte 2011 wollen die USA den Abzug ihrer Soldaten starten. Ende 2011 soll der Abzug der Bundeswehr beginnen. 2014 endet nach jetzigem Stand der Kampfeinsatz der Isaf. Es bleiben aber internationale Truppen im Land, um die Afghanen zu unterstützen. dpa

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