Eine Abrechnung mit der Kanzlerin

Berlin. "Täterin" heißt Angela Merkel auf 280 Seiten. "Agentin", "Wölfin". Starker Tobak

Berlin. "Täterin" heißt Angela Merkel auf 280 Seiten. "Agentin", "Wölfin". Starker Tobak. Gertrud Höhler, früher Beraterin großer deutscher Konzerne und des Kanzlers Helmut Kohl, also eine konservative Grande Dame der alten Bundesrepublik, schildert die amtierende Kanzlerin in ihrem gestern in Berlin vorgestellten Buch "Die Patin" wie eine terroristische Schläferin. Die Zeit in der DDR ist da bloß "Wartezeit", Merkels ruhige Art nur "Tarnkleid bei der Annäherung an die Macht". Erst mit dem Mauerfall erwacht ihr Instinkt und nun verfolgt sie laut Höhler ihr "konsequentes Karrieremanagement". Auch gegenüber Helmut Kohl, "der sie Mädchen nennt, ohne zu ahnen, dass sie längst Aspirantin auf seinen Platz ist". Merkel ist in Höhlers Sicht eine Art Natter an der Brust des Altkanzlers, "die seinen zögernden Söhnen den Vatermord abnimmt". Gemeint ist jener Zeitungsartikel vom 22. Dezember 1999, mit dem die damalige CDU-Generalsekretärin wegen der Parteispendenaffäre öffentlich das Ende der Ära Kohl verkündete.Aber wozu macht Merkel das alles? Aus purem "Egoismus" und um die Bundesrepublik mit ihrer Werte- und Bindungslosigkeit zu kapern, glaubt Höhler. Am Ende dieser Politik steht, jawohl, "eine leise Variante autoritärer Machtentfaltung, die Deutschland so noch nicht kannte". Mit anderen Worten: Eine neue, die dritte Diktatur auf deutschem Boden, die des Pragmatismus. Die Beispiele Energiewende und Euro-Rettung nennt Höhler bei der Präsentation ihres Werkes dafür mehrfach ausdrücklich. Die Unzufriedenheit damit scheint eines der Hauptmotive der Autorin zu sein. Nein, sagt sie auf die Fragen von Journalisten, die Passage mit der Diktatur schreibt sie nicht um. Wie überhaupt die Autorin dünnhäutig ist, vor allem wenn gefragt wird, ob es vielleicht nur verletzte Eitelkeit ist, die sie zu ihrem Wutausbruch getrieben hat. Immerhin sollte sie zu Kohls Zeiten immer wieder mal Ministerin werden, und nie wurde etwas draus. Und nun ist sie seit fast zehn Jahren politisch out, weil Merkel nicht auf sie hören will.

In der Union reagiert niemand öffentlich auf das Werk, man glaubt, dass es sich von selbst richtet. Freilich, wenn man sich Höhlers verkaufsfördernde Tabubrüche und den mafiösen Titel wegdenkt, dann ist das, was sie sagt, gar nicht mehr so exotisch. Dann erinnert es an den vom konservativen "Berliner Kreis" der CDU beklagten Werteverlust und an die Worte des Chefs der Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, über das "System Merkel", das keinen Widerspruch mehr dulde. Dann blitzt darin der wachsende Unmut über die Euro-Politik und die Entmachtung des Parlaments auf, ebenso wie die Rache der vielen politischen Leichen auf Merkels Weg. Höhler hat ihr Buch allen gewidmet, "die die Faust noch in der Tasche haben".

Übrigens, fast parallel zu Höhlers Pressekonferenz präsentiert CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den Leitantrag für den nächsten Parteitag. Gröhe ist besonders zufrieden darüber, dass es zu früher heftig diskutierten Fragen wie der Schaffung einer "Willkommenskultur" für Zuwanderer oder zum Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz in der Kommission keinerlei kontroverse Debatten mehr gegeben habe.Foto: Pilick/dpa

Foto: Brandt/dpa

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