Ein Zwölfjähriger versetzt eine Stadt in Angst

Ludwigshafen · Ein zwölfjähriger Junge steht unter Verdacht, einen Anschlag auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt geplant zu haben. Viele Menschen in der Stadt am Rhein sind besorgt – nicht nur wegen der Terrorgefahr.

Es ist ein ganz normaler Freitagmorgen in der Innenstadt von Ludwigshafen : Der Verkehr fließt, Menschen kaufen ein, am Weihnachtsmarkt öffnen die ersten Stände. Nichts deutet darauf hin, dass die Stadt möglicherweise nur knapp einem blutigen Anschlag entgangen ist, den ein zwölf Jahre alter Junge auf dem Weihnachtsmarkt geplant haben soll. Doch die Menschen sind beunruhigt. "Erst die Explosion bei der BASF vor ein paar Wochen, jetzt diese Meldung. Was soll man davon halten?", fragt eine Frau, die mit einem Kinderwagen in der Nähe des Rathaus-Centers unterwegs ist. Sie plane dieses Jahr keinen Besuch des Weihnachtsmarktes. "Ich bin verunsichert."

Einen Steinwurf entfernt soll der mutmaßliche Bombenleger, ein Deutsch-Iraker, am 5. Dezember eine Tasche deponiert haben. Nachdem ein Passant die Tasche in der Nähe des Rathaus-Centers entdeckt hatte, musste die Polizei die Umgebung absperren. Die Experten des LKA fanden darin ein Glas mit vermutlich pyrotechnischem Material, wie es in Feuerwerkskörpern vorkommt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt nun wegen des Fundes einer Nagelbombe. Brisant ist: Medienberichten zufolge soll der Zwölfjährige bereits am 26. November versucht haben, einen Sprengsatz auf dem Weihnachtsmarkt zu zünden, was misslang. Der Junge ist laut Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU ) mittlerweile an einem "sicheren Ort". Deswegen gehe keine Gefahr von ihm aus.

"Bewiesen ist ja noch nichts, aber natürlich machen wir uns Gedanken, wie sich das alles noch entwickeln wird", sagt Patricia Bakker-Brauch. Sie verkauft an einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein und Chili con Carne. Man dürfe sich jetzt aber auch nicht verrückt machen, betont die Frau aus Böhl-Iggelheim.

Vor allem das Alter des Jungen macht diesen Fall so ungewöhnlich. Wie gefährlich das Material war, das der Junge für seine Attentatsversuche in Ludwigshafen verwendet haben soll, war zunächst unklar. Terrorismusexperten vermuten, dass sich der Zwölfjährige im Internet radikalisiert haben könnte. Dort könne der Junge mit einem Anwerber in Syrien in Kontakt gekommen sein, der ihn gewissermaßen über Messengerdienste in Echtzeit ferngesteuert hat, sagte Peter Neumann vom King's College in London. "Das hatten wir ja auch schon in Hannover gesehen Anfang des Jahres, auch in Ansbach und Würzburg. Das ist neu, dass man Leute quasi über Messengerdienste in Echtzeit steuert", sagte der Radikalisierungsforscher.

Anhaltspunkte über die Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen liefert eine Analyse des BKA, des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Hessischen Informations- und Kompetenzzentrums gegen Extremismus. Minderjährige werden dort als zunehmend auffällige Gruppe bezeichnet: So waren den Sicherheitsbehörden bis Ende Juni 56 Minderjährige bekannt, die nach Syrien und in den Irak ausgereist waren. Die Radikalisierung bis zur Ausreise habe bei knapp der Hälfte von ihnen weniger als ein Jahr gedauert. Dem Alter entsprechend hätten Internet und Freunde dabei eine deutlich größere Rolle gespielt als bei älteren Ausreisenden.

 In der Nähe des Rathaus-Centers fanden Passanten schließlich die selbst gebastelte Bombe des zwölfjährigen Jungen. Der Zünder hatte nicht funktioniert. Foto: Anspach/dpa

In der Nähe des Rathaus-Centers fanden Passanten schließlich die selbst gebastelte Bombe des zwölfjährigen Jungen. Der Zünder hatte nicht funktioniert. Foto: Anspach/dpa

Foto: Anspach/dpa

Der Fall des Zwölfjährigen liegt nun in der Zuständigkeit des Generalbundesanwalts in Karlsruhe. Gegen wen er genau ermittelt, war zunächst noch offen. Der Junge ist allerdings wegen seines Alters vollkommen straf unmündig.

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