Ein Start ohne Brüche

Es muss dringlich sein: Die Ministerpräsidentin weicht vom eigenen Plan ab. Zehn Tage früher als angekündigt stellte Annegret Kramp-Karrenbauer (49) gestern ihre CDU-Ministertruppe vor. "Aktionismus" nennt das die SPD Saar

 Die CDU-Minister (von rechts) Andreas Storm, Annegret Kramp-Karrenbauer, Stephan Toscani und Monika BachmannFotos: dpa (10)

Die CDU-Minister (von rechts) Andreas Storm, Annegret Kramp-Karrenbauer, Stephan Toscani und Monika BachmannFotos: dpa (10)

Es muss dringlich sein: Die Ministerpräsidentin weicht vom eigenen Plan ab. Zehn Tage früher als angekündigt stellte Annegret Kramp-Karrenbauer (49) gestern ihre CDU-Ministertruppe vor. "Aktionismus" nennt das die SPD Saar. Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass die neue Regierungschefin nach der Wahl-Wackelpartie von Mittwoch schnellstmöglich Stabilisierungs-Stützen einziehen wollte. Für Vertrauens-Bruchstellen, deren Risse nicht nur in die Richtung der grünen und gelben Koalitionspartner laufen, sondern wohl auch bis in die eigene schwarze Truppe. Selbst dann, wenn sie - wie Kramp-Karrenbauer gestern fast trotzig verkündete - bei der Frage, wer denn nun der Abweichler war, "für jeden einzelnen" ihrer CDU-Kollegen ihre Hand ins Feuer legen würde. Resolut, fast schroff parierte die neue Ministerpräsidentin während der Pressekonferenz Nachfragen nach ihrer Niederlage im ersten Wahlgang: "Mag sich mit dem Mittwoch beschäftigen, wer will. Ich bin als Ministerpräsidentin gewählt und packe es an." Jawohl, Kramp-Karrenbauer hat ostentativ den Vorwärtsgang eingelegt. Absolvierte bereits an den ersten Arbeitstagen als Ministerpräsidentin Pflichttermine. "Zügig und ohne Brüche", so will Kramp-Karrenbauer ihren Start.Vorbereitet war das Personal-tableau längst. In engster Abstimmung vor allem mit Innen- und Europaminister Stephan Toscani (44), betonte Kramp-Karrenbauer. Ihr Ex-Konkurrent um das Regierungsamt sprach ebenfalls von einem "gemeinsamen Weg" und von "großer Übereinstimmung" bei der Teamaufstellung. Ein verabredeter Schulterschluss? Von vergifteter Atmosphäre war jedenfalls nichts zu spüren. Freilich musste Toscani, der - anders als über Wochen kolportiert - Kramp-Karrenbauer nun doch nicht als Chef in die Staatskanzlei folgt, viel erklären. Hauptsächlich, so Toscani wie zuvor schon Kramp-Karrenbauer, habe die Notwendigkeit einer schnellen Umsetzung der Polizeireform den Ausschlag gegeben. Durch einen Wechsel an der Spitze des Ressorts hätte man womöglich deren Stocken riskiert, so Toscani. Zudem sei Inneres seine "Kernkompetenz" und Europa eine "Herzensangelegenheit" - Toscani ist mit einer Französin verheiratet. Als "Herausforderung" sieht er, dass er die Kultur als "eine der schwierigsten Baustellen" mit dazu nehme. Ihn reize die Verknüpfung des Themas mit Europa und der Großregion. Die Ministerpräsidentin ihrerseits kündigte neue (Finanz-)Strukturen im Zusammenspiel Land/Kommunen an. Der von ihr als "lang gedienter Wegbegleiter" mit ins Kabinett genommene Finanzminister Peter Jacoby (60) dürfte dabei eine maßgebliche Rolle spielen.

Nahezu freundschaftlich verbunden scheint Kramp-Karrenbauer mit der Saarlouiser Landrätin Monika Bachmann (61), die ihr im Sozialministerium nachfolgt. Eine mütterliche Vertraute, danach sah die Umarmung nach dem Fototermin aus. Bachmann war die Erste, die im Kramp-Karrenbauer-Kabinett fest stand. Die "hoch angesehene Landrätin" sei eine "hoch profunde Kennerin" der Materie, meinte Kramp-Karrenbauer gestern. Und verwies auf viele gemeinsam beackerte Themenfelder: Ausbau der Kinderbetreuung, Jugendhilfe, Senioren- und Behindertenpolitik. .

Die stärkste Aufmerksamkeit erntete ohne Zweifel der Import aus dem Berliner Sozialministerium, Andreas Storm (47). Der gab sich programmatisch eher zurückhaltend denn stürmisch. Er zeichnete seinen beruflichen Werdegang nach und die vielen Verknüpfungs- und Begegnungspunkte mit Kramp-Karrenbauer, seit sie 1998 als "charmante Nachbarin" neben ihm im Berliner Bundestag saß. Nach Jahren in der Verwaltung freut sich der Renten- und Demografie-Experte auf das "unmittelbare Wirkenkönnen". Als Zugereister ausgerechnet an der wohl saarländischsten aller Regierungs-Stätten? Er werde in die Fläche gehen, versicherte Storm: "Politik muss geerdet sein."

Vor allem muss sie an der eigenen Parteibasis akzeptiert werden. So war der Ministerpräsidentin die Botschaft wichtig, ihre Mannschaftsaufstellung sei "eine Entscheidung für bestimmte Konstellationen gewesen, nicht gegen Personen". Am Donnerstagabend hatte Kramp-Karrenbauer die CDU-Kreisfürsten informiert, dann Grüne und FDP, schließlich Bundessozialministerin Ursula von der Leyen. Am Freitagmorgen folgte die Fraktion. Angeblich soll es dort lautes Gelächter gegeben haben, als der in einigen Medien als möglicher Abweichler gehandelte CDU-Abgeordnete Günter Becker seinen neuen Namen bekannt gab, mit dem er sich am Telefon melde: "Ichwarsnit."

Die Ministerpräsidentin hat derweil den Mittwoch tapfer weggesteckt, aber noch nicht verarbeitet. Der SZ sagte sie: "Ich vermute, das kommt, wenn ich mal einen halben Tag Zeit zum Überlegen habe".

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