Ein "Sensenmann" als Schutzengel?

Sie sind acht und elf Meter lang, bis zu 370 Kilometer pro Stunde schnell und haben ziemlich martialische Namen: "Raubtier" ("Predator") und "Sensenmann" ("Reaper") heißen die unbemannten Flugzeuge, die US-Militärs und Geheimdienstagenten für eine Art Wunderwaffe für den Krieg gegen den Terrorismus halten

Sie sind acht und elf Meter lang, bis zu 370 Kilometer pro Stunde schnell und haben ziemlich martialische Namen: "Raubtier" ("Predator") und "Sensenmann" ("Reaper") heißen die unbemannten Flugzeuge, die US-Militärs und Geheimdienstagenten für eine Art Wunderwaffe für den Krieg gegen den Terrorismus halten. Die Hightech-Jets sind mit Sensoren und Radargeräten für Aufklärungszwecke ausgestattet. Aber sie können auch scharf schießen - mit lasergelenkten Waffen.

Weltweit berüchtigt sind die Drohnen wegen der Einsätze in Pakistan, die von der US-Regierung zwar weitgehend totgeschwiegen werden, aber trotzdem selbst in der Kriege gewöhnten amerikanischen Öffentlichkeit nicht unumstritten sind. Jetzt plant auch die Bundeswehr Kampfdrohnen anzuschaffen. Ab 2016 sollen sie eingesetzt werden. Bis 2014 hat die Bundeswehr israelische Aufklärungsdrohnen vom Typ "Heron" gemietet, die sie in Afghanistan einsetzt.

Die Entscheidung ist noch nicht endgültig gefallen. Aber eins steht inzwischen fest: Militärisch hält die Bundesregierung die Hightech-Waffen für sinnvoll - wenn auch aus anderen Gründen als die USA. Vor allem zum Schutz der eigenen Soldaten "bei plötzlich auftretenden gravierenden Lageänderungen" seien sie unbedingt erforderlich, erklärte die Regierung in einer am Freitag veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.

Taugt der "Sensenmann" wirklich als eine Art Schutzengel für die eigenen Truppen? Hochrangige Luftwaffen-Offiziere meinen, dass die Präzisionswaffen der Drohnen bei den tödlichen Gefechten der Bundeswehr in Afghanistan durchaus hilfreich gewesen wären. Den Soldaten sei schwer zu vermitteln, wenn eine Drohne zwar zum Ausspähen des Feindes über einem Schlachtfeld kreisen würde, selbst aber nicht eingreifen könne. Zudem loben Militärs die Zielgenauigkeit, die eine versehentliche Tötung von Zivilisten unwahrscheinlicher mache als beim Einsatz herkömmlicher Kampfjets.

In Pakistan sollen nach unabhängigen Recherchen trotzdem hunderte von Zivilisten getötet worden sein. Das Büro für Investigativen Journalismus in London verfolgt die Einsätze der US-Drohnen seit 2004 - soweit das möglich ist. 362 solcher Luftschläge hat die Organisation seit 2004 registriert - Tendenz nach dem Amtsantritt von US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Barack Obama Anfang 2009 steigend. Insgesamt sollen zwischen 2600 und 3500 Menschen getötet worden sein. Die Zahl der getöteten Zivilisten wird von den Journalisten auf 475 bis 891 geschätzt.

Die Kritiker wenden sich aber vor allem wegen moralischer Einwände gegen die Drohnen. Sie fühlen sich bei den Einsätzen ferngesteuerter Kampfjets an Computerspiele erinnert. Da keine eigenen Soldaten gefährdet würden, sinke die Schwelle zum Töten. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin spricht vor diesem Hintergrund in einem "Spiegel Online"-Interview von "einer weiteren Entgrenzung militärischer Gewalt". Verteidigungsminister Thomas de Maizière weist ethische Bedenken dagegen zurück.

"Unbemannte Waffensysteme gibt es schon lange", sagte er vor einigen Wochen. "Im Grunde ist jeder moderne Torpedo und jede gelenkte Rakete ein unbemanntes Waffensystem." Die Debatte über die Drohnen gebe es nur wegen einer bestimmten Einsatzart, sagte er mit Blick auf die Angriffe in Pakistan. "Mit dem System selbst hat sie aber nichts zu tun." Die Diskussion in Deutschland ist noch nicht abgeschlossen, aber eine Vorentscheidung über das Rüstungsprojekt ist mit der Feststellung der militärischen Notwendigkeit getroffen. Denn auf eine Waffe zu verzichten, die als "unbedingt erforderlich" für den Schutz der eigenen Soldaten angesehen wird, dürfte für die Bundesregierung kaum noch möglich sein. "Im Grunde ist jeder moderne Torpedo und jede gelenkte Rakete ein unbemanntes Waffensystem."

Verteidigungsminister Thomas de Maizière kontert ethische Bedenken gegen Drohnen

Am Rande

Die USA setzt unter Präsident Barack Obama verstärkt auf den Einsatz von Kampfdrohnen. Allein in den vergangenen Tagen wurden bei sechs Angriffen im Jemen 13 Menschen getötet. 2012 zählte das US-Forschungsinstitut New America Foundation 53 US-Drohnenangriffe auf mutmaßliche Terroristen im Jemen. Die UNO beklagt bei vielen Angriffen allerdings "mangelnde Transparenz". Ein Experten-Gremium nimmt deshalb 25 Attacken unter anderem im Jemen, in Pakistan und Afghanistan unter die Lupe. dpa/afp

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