"Ein schwarzer Tag für Amerika"

Washington. Paul Bowers, der Chef des Energieversorgers "Georgia Power", konnte seine Begeisterung über die Entscheidung der Atom-Aufsichtsbehörde National Regulatory Commission nicht verbergen. "Wir haben einen fundamentalen Durchbruch erzielt", jubelte der Energie-Manager, der in der Nähe des weltberühmten Golfplatzes von Augusta zwei neue Atomkraftwerke bauen darf

Washington. Paul Bowers, der Chef des Energieversorgers "Georgia Power", konnte seine Begeisterung über die Entscheidung der Atom-Aufsichtsbehörde National Regulatory Commission nicht verbergen. "Wir haben einen fundamentalen Durchbruch erzielt", jubelte der Energie-Manager, der in der Nähe des weltberühmten Golfplatzes von Augusta zwei neue Atomkraftwerke bauen darf. Die ersten seit dem Jahr 1978, als die US-amerikanische Nuklearindustrie den Rückzug antrat, weil sich die teuren Anlagen nicht rechneten. Ob es dieses Mal anders wird und die Genehmigung der zwei 1100-Megawatt-Reaktoren von Westinghouse Electric eine Renaissance der Atomenergie in den USA einleitet, ist noch ungewiss. Die meisten Energieversorger warten ab, welche Erfahrungen die Betreiber des mit 14 Milliarden Dollar veranschlagten Projekts in Georgia machen.Dass den Reaktoren ein finanzielles Desaster erspart bleiben dürfte, liegt an der rechtlichen Situation in dem südlichen Bundesstaat. In Georgia haben sich die Atomlobbyisten das Recht gesichert, die gesamten Kosten ihrer Anlage auf die Kunden abzuwälzen. Damit tragen nicht die Energieerzeuger selbst, sondern die Bürger das wirtschaftliche Risiko für den Bau der Atomkraftwerke. Während insgesamt 20 Projekte in verschiedenen Planungs-Stadien stecken, wird kurzfristig nur noch mit der Genehmigung und Durchführung der Bauarbeiten an zwei neuen Reaktoren in South Carolina gerechnet. Sämtliche Aktivitäten der Nuklearindustrie bleiben darüber hinaus auf den Süden der USA beschränkt, weil dort der politische Widerstand gegen die riskante Technologie geringer ist.

Die Betreiber in Georgia versichern, die neue Bauweise der Westinghouse-Reaktoren garantiere ein hohes Maß an Sicherheit, das es in der Vergangenheit nicht gegeben habe. So sei die geplante Anlage erdbebensicher, könne einem Flugzeugabsturz standhalten und verfüge darüber hinaus über ein passives Kühlsystem, das eine Kernschmelze wie im japanischen Fukushima ausschließe.

Der Vorsitzende der National Regulatory Commission (NRC), Gregory Jaczko, ist sich da nicht so sicher. Er stimmte bei der 4:1-Entscheidung als einziges Mitglied der Kommission gegen die Genehmigung. "Ich kann nicht so tun, als hätte es Fukushima nicht gegeben", erklärte Jaczko seine Bedenken. Die erteilte Lizenz garantiere nicht, dass die neuen Sicherheitsstandards, die seine Behörde nach dem Atomunglück in Japan verlangte, bei den geplanten Reaktoren schon umgesetzt würden.

Vertreter verschiedener Umweltgruppen sprachen gestern von einem "schwarzen Tag" für die Vereinigten Staaten. Die Aufsichtsbehörde sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, die Bürger vor den Gefahren der Nuklearindustrie zu schützen, klagte etwa das "Natural Ressources Defense Council".

Eine positive Entscheidung der NRC war jedoch erwartet worden, nachdem US-Präsident Barack Obama grünes Licht für den Neubau der ersten Atomkraftwerke seit mehr als drei Jahrzehnten signalisiert hatte. Der Demokrat Obama setzt sich in seiner Energiepolitik nämlich für eine Mischung ein aus fossilen Brennstoffen, erneuerbaren Energien - und Atomtechnik.

Meinung

Ökonomischer Wahnsinn

Von SZ-KorrespondentThomas Spang

Die neuen US-Atomkraftwerke sind nicht der Beginn einer Renaissance. Selbst wenn die Technologie weniger riskant erscheint, wird sie aus einem anderen Grund scheitern: an den Kosten. Nuklearenergie bleibt ein ökonomischer Wahnsinn, den niemand, der rechnen kann, ernsthaft unterstützen wird. Die beiden Reaktoren in Georgia liefern dafür das beste Beispiel. Mit 24 bis 30 Cent pro Kilowattstunde kostet Atomstrom vier Mal mehr als Energie aus Wind. Dafür hätte sich an der Wall Street nicht ein Investor gefunden, der klar bei Sinnen ist.

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