Ein schwarzer Peter und viele offene Fragen "Saarländische Eier sind nicht belastet"

Berlin. In der Haut von Siegfried Sievert möchte man nicht stecken. Der Geschäftsführer des Futtermittelherstellers Harles und Jentzsch muss sich nun als Deutschlands "Gift-Fett-Panscher" beschimpfen lassen

Berlin. In der Haut von Siegfried Sievert möchte man nicht stecken. Der Geschäftsführer des Futtermittelherstellers Harles und Jentzsch muss sich nun als Deutschlands "Gift-Fett-Panscher" beschimpfen lassen. Das niedersächsische Agrarministerium zweifelt an der Version des Unternehmers aus Schleswig-Holstein, das mit Dioxin belastete Fett sei nur aus menschlichem Versagen in das Futtermittel für Tiere gelangt. Gestern bekam Sievert Besuch von der Polizei, bei einer Razzia ließ die Staatsanwaltschaft Itzehoe zahlreiche Akten und Beweismittel beschlagnahmen.

Denn angeblich wurden Fette, die eigentlich für die von Harles und Jentzsch ebenfalls praktizierte Papierverarbeitung vorgesehen waren, schon seit längerem für die Futtermittelproduktion genutzt. Sievert betont, man dachte, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet sei. Völlig unklar ist weiterhin, wie das Dioxin in das Tierfutter gelangen konnte.

Das mit dem eingemischten Fett produzierte Futter im Umfang von 30 000 bis 150 000 Tonnen wurde an tausende Bauerhöfe verkauft. Dort wurde es in noch unbekanntem Maße an Legehennen, Mastgeflügel und Schweine verfüttert. Dazu muss man wissen, dass technische Fettsäure, in diesem Fall ein Abfallprodukt aus der Biodieselproduktion, billiger ist als Nahrungsmittelfette.

Der Eierverkauf ist in den letzten Tagen spürbar gesunken, wie die landwirtschaftliche Marktberichterstattungsstelle meldet. Inzwischen nennen mehrere Landesministerien die betroffenen Eier-Chargen im Internet. Während das Bundeslandwirtschaftsministerium am Dienstag noch berichtete, es seien mehr als 2700 Tonnen Futterfette betroffen, waren es gestern bereits rund 3000. Und nachdem es zunächst hieß, es seien keine verseuchten Produkte ins Ausland gelangt, musste nun eingestanden werden, dass ein Händler im niederländischen Barneveld 136 000 kontaminierte Eier aus Sachsen-Anhalt bekommen hat. Von dem Skandal sind inzwischen acht Bundesländer betroffen.

Vom 12. November bis zum 23. Dezember wurde das Futterfett ausgeliefert, bevor das Agrarministerium in Niedersachsen Wind von der Sache bekam. Unter anderem hatte ein Futterhersteller aus Dinklage bei Eigenuntersuchungen erhöhte Dioxingehalte ermittelt. Doch über Weihnachten passierte erst mal wenig. Am 30. Dezember teilte das NRW-Verbraucherschutzministerium mit, dass bei Kontrollen in einem Legehennen-Betrieb in Soest Dioxin-Belastungen festgestellt worden seien, die um das Vierfache über dem Grenzwert gelegen hätten. Minister Johannes Remmel (Grüne) kritisierte damals die niedersächsische Landesregierung - für ihn hatte schon zum Jahresende der Dioxin-Fall eine große Dimension. Am 3. Januar schließlich sperrte Niedersachsen rund 1000 Höfe - von den 3000 Tonnen Futterfett waren rund 2500 dorthin gegangen.

Trotz der Verunsicherung bei den Verbrauchern betont der Sprecher von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU), dass man weiter Eier essen kann - alle möglicherweise betroffenen Produkte sollen nun schnell aus den Regalen verschwinden. Es wäre "völlig überzogen", jetzt auf den Genuss von Eiern und Fleisch vollkommen zu verzichten, sagt er.

Die Dioxin-Affäre belastet das Image der Geflügelwirtschaft - auch wenn die Verarbeiter von Hähnchen-, Puten- und Entenfleisch nach derzeitigem Stand eindeutig Opfer des Skandals sind und keine Mitschuld an der Weiterverbreitung belasteter Produkte tragen. Mit maßgeschneiderter Werbung und verstärkten Eigenkontrollen versucht die Geflügelwirtschaft nun, die Dioxin-Krise bei den Eier- und Futtermittelproduzenten gar nicht erst in ihren eigenen Betrieben ankommen zu lassen. Beim Geflügelspezialisten Wiesenhof etwa bemühen sich die Produktstrategen, die Kunden in Kauflaune zu halten und Sicherheitsbedenken zu zerstreuen. "Wir wollen Transparenz schaffen und das Vertrauen stärken", betonte das Unternehmen aus dem niedersächsischen Visbek gestern. Herr Rose, kann man ausschließen, dass saarländische Eier mit Dioxin belastet sind?

Josef Rose: Ja, nach den neuesten Erkenntnissen kann das ausgeschlossen werden. Die saarländischen Betriebe haben keine Probleme diesbezüglich. Wir bekommen unser Futter von einem Futtermittelhersteller aus Mannheim. Der beliefert den Löwenanteil der saarländischen Unternehmen und hat uns gerade aktuell bestätigt, dass alle gesetzlichen Grenzwerte deutlich unterschritten werden.

Was bedeutet "Löwenanteil" in diesem Fall?

Rose: Etwa 80 Prozent. Aber auch für die restlichen 20 Prozent kann man die Hand ins Feuer legen. Die Futterlieferanten im Saarland stellen ihr Futter größtenteils selbst her und sind daher auch nicht betroffen. Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass dieses Futter ebenfalls in Ordnung ist.

Essen die Saarländer denn zurzeit weniger Eier?

Rose: Ja, leider. Wir können einen Rückgang beim Verkauf von etwa 20 bis 30 Prozent feststellen. Ich denke aber, dass man keine Panikmache betreiben sollte. Den Leuten wird ja richtiggehend Angst gemacht. Dabei ist die Belastung für den Menschen fast gleich null, selbst wenn er täglich ein Ei essen sollte, das belastet ist.

Wie können Verbraucher feststellen, woher ihr Ei kommt?

Rose: Sie müssen nur den Code, der auf jedem Ei steht, im Internet bei www.was-steht-auf-dem-ei.de eingeben, dann wird die Herkunft genau angegeben. Das ist die sicherste Variante. Denn oft steht auf der Verpackung die Adresse des Vermarkters, nicht des Geflügelhofes. Wir sind als Verband schon lange daran interessiert, dass sich das ändert, damit der Verbraucher leichter erkennt, woher sein Ei kommt.

Stichwort Kontrollen: Sind sie im Saarland angemessen, zu streng oder zu lasch?

Rose: Wir arbeiten mit dem Verbraucherschutzministerium eng zusammen. Im Schnitt gibt es mindestens einmal in vier Wochen eine Kontrolle je Betrieb. Dazu wird in den Märkten kontrolliert. Ich denke, das ist in Ordnung. Wir testen auch selbst, auf eigene Kosten. Wir Betreiber wollen ja immer wissen, was bei uns los ist.

Können Sie die Folgen für die Geflügelwirtschaft absehen?

Rose: Dieser Fall bedeutet einen Millionenschaden für die Geflügelwirtschaft. Ich bin gespannt, wie viele Betriebe am Ende wirklich betroffen sind. Es werden nicht so viele sein, aber alle anderen leiden mit. Auch wir hier, obwohl wir nach bestem Wissen und Gewissen nicht betroffen sind. Ich finde das schrecklich, dass einer durch sein Gebaren alle anderen mitschädigt, nur weil er schnelles Geld verdienen will. Wir haben dann die schwierige Aufgabe, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen.

Auf einen Blick

Im Saarland wird es derzeit keine strengeren Lebensmittelkontrollen, insbesondere bei Eiern oder Fleisch, geben. Das teilte die Sprecherin des saarländischen Verbraucherschutzministeriums, Nele Scharfenberg, auf SZ-Anfrage mit. "Bisher gibt es keinen Nachweis dafür, dass kontaminierte Eier ins Saarland gelangt sind. Sobald ein saarländischer Händler auf einer der Lieferlisten aus den anderen Bundesländern stehen sollte, werden die Lebensmittelkontrolleure aktiv und überprüfen, ob die betroffenen Chargen aus den Regalen entfernt wurden", erklärte Scharfenberg. Sie stellte außerdem noch einmal klar, dass nach bisherigen Erkenntnissen weder saarländische Geflügelfarmen noch Futtermittelbetriebe mit dem fragwürdigen Futter beliefert wurden. spr

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